"Ich bin verblüfft über den Tonfall der heutigen Pressekonferenz": So kommentiert Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker jenen Auftritt, bei dem die Regierung am Donnerstagmorgen weitere Öffnungsschritte angekündigt hat. "Da wurde die Pandemie quasi wieder einmal abgesagt", urteilt der SPÖ-Politiker. "Lebensfreude im Sommer ist super. Doch die werden wir nicht haben, wenn wir auf die notwendigen Maßnahmen gegen die ansteckendere Delta-Variante verzichten. Diese Botschaft hat mir gefehlt: Die Pandemie ist noch nicht vorbei."

Hacker vermisst bei der Regierung eine unpopuläre Botschaft: "Die Pandemie ist noch nicht vorbei.
Foto: Heribert Corn

Dass ab 1. Juli die Abstandsregeln und Quadratmeterbeschränkungen in allen Bereichen ebenso fallen wie Limits für Besucherzahlen von Veranstaltungen, war schon vor dem Auftritt bekannt gewesen. Neu ist aber, dass die Maskenpflicht entschärft wird. FFP2-Masken sind ab Juli nur noch in Krankenhäusern und Pflegeheimen vorgeschrieben. In Öffis, im Handel und in Museen muss lediglich ein Mund-Nasen-Schutz (MNS) getragen werden. Ab 22. Juli beschränkt sich die MNS-Pflicht dann nur noch auf Öffis und Geschäfte des täglichen Bedarfs. Überdies fällt am 1. Juli die Sperrstunde von 24 Uhr in der Gastronomie – Clubs, Discos und dergleichen können somit wieder aufsperren.

Kanzler habe nicht warten wollen

Die Aufweichung der FFP2-Masken-Pflicht hält Hacker angesichts der niedrigen Inzidenz im Sommer zwar für vertretbar, und auch gegen die Öffnung der Nachtgastronomie habe er prinzipiell nichts: "Doch mir geht es um die Spielregeln. Mir fehlt das begleitende Monitoring." Hacker schlägt vor, den Besuch der Bars und Discos an eine Impfung oder andernfalls an einen PCR-Test zu koppeln – denn nur mit diesen Tests, die bei infizierten Menschen ohne Symptome viel eher anschlagen als Antigentests, lasse sich die Ausbreitung von ansteckenderen Mutationen überwachen: "Eigentlich wollte ich das mit dem Gesundheitsminister noch in Ruhe diskutieren. Aber der Kanzler wollte offensichtlich nicht darauf warten."

Sorge bereiteten ihm jene Zahlen, die in der Ampelkommission präsentiert worden seien: Demnach würden fast 90 Prozent aller PCR-Tests in Wien gemacht. Abseits der Bundeshauptstadt, die mit der Aktion Alles gurgelt auf diese Form des Screenings setzt, sei die Zahl der durchgeführten PCR-Tests überall rückläufig. "Damit nehmen wir in Kauf, dass Menschen die Mutation weiterverbreiten, ehe sie Symptome zeigen", sagt Hacker. "Ich wundere mich, dass nach eineinhalb Jahren Pandemie immer noch so ein geringer Fokus darauf gelegt wird."

Für Ende Juni, Anfang Juli kündigt Hacker einen Impfschwerpunkt für die 25- bis 30-jährigen Bürger an: "Da werden viele zehntausende Impftermine freigeschaltet." (Gerald John, 17.6.2021)