In Wien wurden im Vorfeld der Pride Schulen mit Regenbogenfahnen beflaggt.

Foto: APA/HOSI/Philip Bauer

Laut, bunt, glitzernd, fröhlich: Es ist kein Zufall, dass die Regenbogenparade auf den ersten Blick an eine Party erinnert. Zehntausende Menschen ziehen am Samstag wieder über den Ring, dieses Mal allerdings nur zu Fuß und mit dem Fahrrad statt auf großen Trucks, um die Corona-Regeln besser einhalten zu können.

Die Parade solle man aber dennoch nicht mit einer Party verwechseln, sagt Pride-Organisatorin Katharina Kacerovsky-Strobl. "Man muss sich in Erinnerung rufen, dass an dem Tag auch Menschen auf die Straße gehen und demonstrieren, die nicht geoutet sind. Die sind erleichtert, fühlen sich frei. Wer würde das nicht feiern wollen? Das ist der Grund für diesen speziellen Democharakter."

Regenbogenfahne aufhängen ist nicht genug

Jedoch gibt es seit einigen Jahren vermehrt Stimmen, die die Regenbogenparade durch eine zu starke Kommerzialisierung entwertet sehen. Andere vertreten wiederum die Meinung, es sei ohnehin schon alles erreicht worden und Diskriminierung finde keine mehr statt.

DER STANDARD

Kacerovsky-Strobl hält dagegen. Um zu vermeiden, dass Sponsoren nur als Marketing-Gag die Parade unterstützen, würde man jedes teilnehmende Unternehmen überprüfen – etwa ob dort Beschäftigte freie Tage bekommen, wenn sie ihre Partnerschaften eintragen lassen. Außerdem werde über das korrekte Wording ausführlich informiert. "Wenn wir erkennen, dass es Unternehmen nicht ernst meinen, dann gibt es keine Zusammenarbeit. Schnell einmal die Regenbogenfahne aufhängen ist nicht genug", sagt Kacerovsky.

Regierung soll sich entschuldigen

Der Diskriminierungsschutz für LGBTIQ-Personen sei außerdem noch immer nicht festgeschrieben. Noch immer könnte ein lesbisches Paar aus einem Lokal geworfen werden, einfach nur weil sie homosexuell sind – so geschehen im Wiener Café Prückl vor einigen Jahren. Eine Wohnung könnte ebenso nach wie vor aufgrund der sexuellen Orientierung verwehrt werden.

Und auch wenn die Entschuldigung von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) an jene, die strafrechtliche Folgen für ihre sexuelle Orientierung zu spüren bekamen, eine wichtige Geste war, sei dies nicht genug. Kacerovsky wünscht sich eine Entschuldigung der Regierung und Entschädigungszahlungen.

Opfer der Strafverfolgung

Das sieht auch Andreas Brunner so. Der Historiker war es, der Mitte der 1990er nach einem New-York-Besuch die Regenbogenparade nach Wien brachte. 25 Jahre später besucht er sie "nur noch als Privatperson". Aber es sei nach wie vor ein wichtiger Tag – "nicht nur für mich. Einmal im Jahr gehört der Ring, der bedeutendste Boulevard der Republik, uns. Und das ist auch gut so."

Brunner hielt beim Festakt zur Entschuldigung der Justizministerin eine Rede. Auch er findet die Worte der Ministerin gut. "Aber vieles von dem, was heute gesagt wird, kommt einfach zu spät." Auch Brunner fordert Haftentschädigungszahlungen, zudem müssten die Pensionszeiten, die Inhaftierte verloren, angerechnet werden.

Diskriminierung beim Blutspenden

Zwischen 1950 und 1971 seien über 13.000 Menschen wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen verurteilt, Existenzen zerstört worden. Und auch nach dem Ende des Totalverbotes 1971 wurde weiter gestraft: Brunner zufolge wurden 1000 Männer auf Basis des Paragrafs 209, "Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Jugendlichen", der erst 2002 abgeschafft wurde, inhaftiert.

Bezüglich der Umsetzung von Entschädigungszahlungen ist Brunner aber skeptisch. 50 Jahre lang kämpfe man in diesen Belangen gegen die ÖVP. Auch die Aufhebung des Werbeverbots gab es 1996 nur, weil zwei FPÖ-Mandatare die Abstimmung verpassten, die ÖVP war dagegen.

Bereits seit langem auf der Agenda verschiedener politischer Parteien steht die noch immer geltende Diskriminierung nicht heterosexueller Männer beim Blutspenden. Ende Februar verkündete der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) plötzlich, die ersten Schritte in Richtung Gleichstellung von schwulen und bisexuellen Männern würde eingeleitet und verkündete drei Sofortmaßnahmen: Die sogenannte Rückstellfrist würde unter wissenschaftlicher Begleitung auf ein Drittel verkürzt, zudem sollte es eine umfassende Gesundheitsfolgenabschätzung sowie eine Studie zu sexuell übertragbaren Krankheiten geben.

Nichts Neues bei Blutspende

Doch passierte seither nichts. Aus einer aktuellen Anfragebeantwortung durch Gesundheitsminister Mückstein (Grüne) an den roten Abgeordneten Mario Lindner geht hervor, dass die Ausschlussfrist für Schwule und bisexuelle Männer zwar auf vier Monate verkürzt wurde. Aber: Die Entscheidung zur Zulassung von potenziellen Spenderinnen und Spendern liege "in der Zuständigkeit der durchführenden Blutspendeeinrichtung". Das Rote Kreuz gibt auf der Website noch immer an, dass "Männer, die mit Männern Sex hatten, zwölf Monate aussetzen" müssen. "Trotz großer Ankündigungen hat sich hier bis heute de facto nichts geändert", kritisiert Lindner.

Auch die angekündigte Großstudie zu sexuellem Risikoverhalten dürfte laut der Anfragebeantwortung vorerst nicht durchgeführt werden. Demnach sei die Notwendigkeit nun doch nicht gegeben. "Nach nochmaliger Prüfung des derzeit schon vorliegenden Datenmaterials, unter anderem der jährlich aktualisierten österreichischen HIV-Kohortenstudie, wurde vorerst entschieden, von einer neuerlichen diesbezüglichen Erhebung Abstand zu nehmen", heißt es darin.

Verbot für "Umpolungen"

Weiter geht es aber trotzdem in puncto Schutz von LGBTIQ-Personen: Diese Woche hat sich der Nationalrat einstimmig für ein Verbot von Konversions- und "reparativen" Therapieformen an Minderjährigen ausgesprochen. Und in einem Antrag forderten die Abgeordneten die Regierung dazu auf, ein Gesetz zum Verbot von Maßnahmen zur Veränderung der sexuellen Orientierung bei Minderjährigen vorzulegen.

Sogenannte Konversionstherapien, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität einer Person zu verändern oder zu unterdrücken und die bei Betroffenen oft nachhaltige psychische und physische Schäden anrichten können, sind in der EU erst in zwei Ländern ganz (Malta) oder teilweise (Deutschland) verboten. Die pinke EU-Abgeordnete Claudia Gamon will das Thema nun forcieren: Eine dieser Tage eingebrachte Anfrage an die EU-Kommission soll Aufschluss darüber geben, welche Schritte geplant sind, um nationale Verbote von Konversionstherapien voranzutreiben, und "was gegen rückschrittliche Entwicklungen im LGBTIQ-Bereich, beispielsweise in Ländern wie Ungarn oder Polen, unternommen wird". (Lara Hagen, Oona Kroisleitner, 19.6.2021)