Finanzminister Gernot Blümel am 7. April 2021 im Rahmen des Ibiza-U-Ausschusses.

APA/HELMUT FOHRINGER

Es ist erst etwas mehr als ein Monat her, dass im Zusammenhang mit dem türkisen Finanzminister Gernot Blümel in vielen politischen Kommentaren das Wort "historisch" fiel. Nicht wegen eines besonderen Erfolges, eines Verdienstes für das Land und seine Bürgerinnen und Bürger: Blümel – bei dem wenige Monaten zuvor eine Hausdurchsuchung stattgefunden hatte – hat sich so lange geweigert, dem Ibiza-U-Ausschuss E-Mails und andere geforderte Daten zu übermitteln, dass der Verfassungsgerichtshof bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen eine Exekution beantragen musste. Eine Eskalation, die Blümel später selbst bereute: Im Nachhinein sei man immer klüger, meinte er.

Schenkt man den Oppositionsparteien Glauben, so muss man zum Urteil kommen, dass dieses "Nachhinein" offenbar noch gar nicht eingetreten ist. Denn die Aktenlieferungen seien unvollständig und mangelhaft – es wurde deswegen erneut der Bundespräsident eingeschaltet, dieser erkundigte sich nun beim Verfassungsgerichtshof, ob dieser seinen Exekutionsantrag aufrecht hält. Schon wieder "historisch" oder schlichtweg das neue Normal in einem Land, in dem zahlreiche Vertreter der stimmenstärksten Partei – bis zum Bundeskanzler – im Fokus von Ermittlungen stehen?

Sicher ist: Das viel zu späte und nun offenbar auch unvollständige Liefern ist kein "Hoppala", sondern gehört zur Verhinderungstaktik, die die Türkisen im U-Ausschuss fahren: Einerseits baute die ÖVP bereits wochenlang Druck auf die Grünen auf, den Untersuchungsausschuss nicht zu verlängern – und waren erfolgreich damit. Am 15. Juli endet der Ibiza-U-Ausschuss. Für die wenigen Tage, die nun zur politischen Aufklärung noch bleiben, lautet die Devise offensichtlich: Verzögerung.

Bemerkenswert ist auch der Zusammenhang zum vergangene Woche lancierten Antikorruptionsvolksbegehren. Denn eine der zentralsten unter den 72 Forderungen kann als "Lex Blümel" bezeichnet werden: Nichtbeachtung rechtskräftiger Urteile soll zu automatischem Amtsverlust führen. Dass der ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Andreas Hanger, diese Initiative unterstützt, über das neuerliche Einschalten von Bundespräsident Van der Bellen aber sagt das sei "eine bewusst inszenierte Skandalisierung und ein inakzeptabler Missbrauch des Untersuchungsausschusses" setzt der ganzen Causa das Sahnehäubchen auf und zeigt, wie weit entfernt das türkise Selbstverständnis mittlerweile vom Blick von Außen ist. (Lara Hagen, 19.6.2021)