Laut Gesetz sollen Bildungsprogramme und Aufklärungsbücher zu Homosexualität verboten werden.

Foto: GERGELY BESENYEI

Brüssel – 14 EU-Staaten haben die Europäische Kommission aufgefordert, umgehend gegen das umstrittene ungarische Homosexuellengesetz vorzugehen. Die Behörde müsse "alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente" gegen das "diskriminierende" Gesetz nutzen, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung der Länder, die von Belgien, Luxemburg und den Niederlanden initiiert wurde. Notfalls soll die Kommission demnach auch vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Die 14 Länder äußerten ihre "tiefe Besorgnis" über das vergangene Woche vom ungarischen Parlament angenommene Gesetz. Es diskriminiere LGBTQI-Menschen und verletzte "das Recht auf freie Meinungsäußerung unter dem Vorwand, Kinder zu schützen".

Verbannung von Aufklärungsbüchern

Das Gesetz gegen "Werbung" für Homosexualität gegenüber Minderjährigen war von der Fidesz-Partei des rechtsnationalistischen Regierungschefs Viktor Orbán eingebracht worden. Bildungsprogramme zu Homosexualität oder Werbung von Großunternehmen, die sich mit Homosexuellen solidarisch erklären, werden demnach verboten, ebenso wie Aufklärungsbücher zu dem Thema.

Deutscher Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) hatte schon am Morgen bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Luxemburg angekündigt, dass Deutschland die Erklärung unterstützen wird. "Wir müssen ein klares Signal setzen", sagte er. Die Entscheidung des ungarischen Parlaments verstoße "klar gegen EU-Werte".

Neben Deutschland und den Beneluxstaaten stellten sich laut belgischer Regierung auch folgende neun Länder hinter die kritische Erklärung: Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Lettland, Litauen, Spanien und Schweden. Am Dienstagabend kam Italien noch dazu. Damit stellte sich rund die Hälfte der insgesamt 27 EU-Staaten hinter die Kritik an Ungarn.

Österreich hat die Erklärung nicht unterzeichnet.

Ungarn verteidigt Gesetz

Ungarns Außenminister Péter Szijjártó verteidigte dagegen das Gesetz in Luxemburg. Es richte sich gegen keine Minderheit und solle Minderjährige vor Pädophilen schützen, sagte er. Szijjártó warf Kritikern vor, "Falschinformationen zu verbreiten", und verwahrte sich gegen Einmischung in "nationale Kompetenzen" Ungarns.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat sich angesichts des LGTB-feindlichen Anti-Pädophilen-Gesetzes in Ungarn besorgt gezeigt. Zum Schutz von Minderjährigen vor Pädophilie "brauche es auch strenge Strafen", sagte Edtstadler vor dem Treffen mit EU-Amtskollegen. Aber eine Verknüpfung mit Homosexualität sowie das Vorenthalten von Informationen für Kinder sei "wirklich besorgniserregend". Gleichzeitig betonte Edtstadler: "Ich bin gelernte Richterin, und ich bin es gewöhnt, dass man zuerst alle Fakten auf den Tisch bekommt, bevor man sich ein abschließendes Urteil bildet." (APA, red, 23.6.2021)