Weder Live Eye noch 7-Eleven reagierten auf Anfragen der Berichterstatter.

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Mitarbeiter von US-Gemischtwarenläden wie 7-Eleven stehen unter ständiger Videoüberwachung. Doch nicht nur das: Gegen entsprechende Bezahlung bietet das in Washington ansässige Unternehmen Live Eye Surveillance einen Fernzugriff durch seine Angestellten an. Wenn diesen etwas potenziell Verdächtiges auffällt, können sie per Lautsprecher Anweisungen erteilen, wie in einem aufgetauchten Video zu sehen ist. Das System fungiere "als virtueller Vorgesetzter für die Standorte", heißt es in einer Stellenausschreibung auf der Website des Anbieters.

In den angesprochenen Aufnahmen ist ein Raubüberfall auf ein entsprechendes Geschäft zu sehen. Zwei Personen stürmen hinein, bedrohen den Angestellten mit einem Sturmgewehr und fordern ihn dazu auf, die Registrierkasse zu öffnen. Bevor es so weit kommt, ertönt eine Stimme aus den Lautsprechern, die die Verbrecher darauf hinweist, dass sie aufgezeichnet werden und die Polizei verständigt worden sei. Diese flüchten, der Angestellte wird angewiesen, den Notruf zu wählen und das Nummernschild der Räuber zu notieren.

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Wie "Vice" berichtet, bewarb Live Eye das eigene Angebot unter anderem auch mit einem Video, in dem ein Mitarbeiter dabei zu sehen ist, wie er ein Getränk aus einem Kühlschrank nimmt und es trinkt. Kurz darauf wird er gefragt, ob er dieses gescannt und bezahlt habe. Inzwischen wird man jedoch aufgefordert, direkt Kontakt aufzunehmen, wenn man Beispielvideos ansehen möchte.

Immer stärkere Überwachung

Die Pandemie sei grundsätzlich zu einer besorgniserregenden Verbreitung von Arbeitsplatzüberwachung genutzt worden, geben die Berichterstatter zu bedenken. Firmen sollen nämlich die Gelegenheit genutzt haben, um eine Reihe von Überwachungstools als scheinbare Sicherheitsmaßnahme zu etablieren: "Wir nutzen die Unsicherheit über das Risiko eines Raubüberfalls als Vorwand, um Arbeiter ins Visier zu nehmen", sagt Eva Blum-Dumontet, eine leitende Forscherin bei Privacy International, gegenüber "Motherboard".

Das sei jedoch bloß eine Ausrede, um die Art und Weise unserer Arbeit neu zu gestalten: "Im Wesentlichen geht es bei der Überwachung am Arbeitsplatz um die Überwachung der Mitarbeiter, um sicherzustellen, dass sie ihrer Vorstellung von Produktivität entsprechen. Das ist sehr giftig für die psychische Gesundheit der Angestellten."

Franchise-Nehmer

Neben 7-Eleven zählen zu Live-Eyes-Kunden Shell, Dairy Queen und Holiday Inn. Da es sich bei einigen dieser Unternehmen um Franchises handelt, ist jedoch unklar, ob diese die Systeme selbst gekauft haben oder diese von einzelnen Franchise-Nehmern erworben wurden.

Entsprechende Aufnahmen seien trotz allem besorgniserregend, erklärte ein ehemaliger 7-Eleven-Außendienstberater gegenüber "Motherboard". Insbesondere der Eingriff während eines laufenden bewaffneten Überfalls könnte Menschenleben kosten: "So wird jemand getötet", sagte er. "Man erschreckt jemanden mit einem Sturmgewehr nicht. Das verstößt gegen die 7-Eleven-Politik. Es gibt einen Grund, warum der Stille Alarm stumm ist."

Weder Live Eye noch 7-Eleven reagierten auf Anfragen der Berichterstatter. (mick, 23.6.2021)