Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und sein Ministerium hätten nicht den Namen von Rudi Fußi in Zusammenhang mit einer möglichen Straftat auf ihrer Website bzw. auf Twitter veröffentlichen dürfen. Laut Datenschutzbehörde wurde das Recht auf Geheimhaltung Fußis dadurch verletzt.

Foto: APA/Nehammer

Alles begann mit einem Tweet: Nach einer Demonstration schrieb Rudi Fußi, PR-Berater und Politaktivist mit eigener Talkshow, auf Twitter über die Vorgangsweise der Exekutive, Polizeihunde seien wahrscheinlich intelligenter als der durchschnittliche Mitarbeiter der Landespolizeidirektion Wien.

Scharfe Worte von Nehammer

Prompt folgte die Verurteilung durch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), und zwar auf der Website des Innenministeriums, auf Twitter und via APA-OTS. Auf der Innenministeriums-Website hieß es tagelang, dass man rechtliche Schritte gegen Fußi prüfe. "Sogenannte Polit-Aktivisten, die die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten diskreditieren und diese darüber hinaus noch beleidigen, dürfen nicht unkommentiert bleiben", wird Nehammer dort zitiert. Ein derartiges Verhalten sei genauso gefährlich für das demokratische Zusammenleben wie das Verbreiten von Verschwörungstheorien oder extremistische Ansichten, heißt es weiter in dem Beitrag des Innenministers. Zahlreiche Juristinnen und Juristen bzw. Politiker sahen in der Klagsdrohung einen gefährlichen Einschüchterungsversuch.

Sukzessive Löschung

Fußi entschuldigte sich und löschte den entsprechenden Tweet. Gegen das Vorgehen auf den Kanälen des Innenministeriums wehrte er sich mit einer Datenschutzbeschwerde: Bei der mehrfachen namentlichen Nennung von ihm im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Straftat in dem Artikel, den Tweets auf dem Twitter-Account des BMI und in der APA-OTS handle es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten, für die es keine Rechtsgrundlage gebe, argumentierte Fußis Anwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD vertritt. Die Folge: Das Innenministerium löschte besagten Artikel und auch die Tweets sukzessive – obwohl man ja nach wie vor in der Beschwerde die Rechtsansicht vertrat, dass die Veröffentlichung in Ordnung gewesen sei.

Weitere rechtliche Schritte möglich

Das war Ende Februar. Mittlerweile steht fest: Der Beschwerde von Fußi wurde stattgegeben. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Geheimhaltung sei verletzt worden. Konkrete Auswirkungen hat der Entscheid aber nicht, denn das Ministerium habe sämtliche Inhalte ja bereits gelöscht.

Anwältin Windhager ist zufrieden, merkt aber an, dass weitere Schritte geprüft werden. Denn die Datenschutzbehörde darf gegenüber einer staatlichen Behörde keine Geldbußen verhängen. Windhager kann sich daher eine Amtshaftungsklage vorstellen, um im Rahmen einer solchen Schadenersatz von der Republik zu fordern.

Auch das Innenministerium kann sich weitere Schritte vorstellen. In einer Stellungnahme an den STANDARD heißt es: "Der – noch nicht rechtskräftige – Bescheid der Datenschutzbehörde wird seitens des Innenministeriums in dieser Form zur Kenntnis genommen. Der Weg weiterer Rechtsmittel steht derzeit noch offen – eine Berufung beim Bundesverwaltungsgericht ist allerdings sehr wahrscheinlich."

Nehammer und Ministerium verantwortlich

Spannend sei an dem Entscheid vor allem die Frage der Verantwortlichkeit, sagt Windhager außerdem. Die Beschwerde richtete sich nämlich nicht nur gegen das Ministerium, sondern auch gegen Nehammer selbst. Die Datenschutzbehörde hält das für schlüssig. Nehammer und sein Ministerium seien als gemeinsame Verantwortliche zu qualifizieren, weil der Minister Einfluss auf die konkrete Datenverarbeitung genommen habe, zumal er mit Namen zitiert werde und die Beiträge teilweise mit seinem Foto versehen seien, heißt es in der Entscheidung. Es sei davon auszugehen, dass die Veröffentlichung mit seiner Kenntnis und Zustimmung erfolgt sei, da er als oberstes Verwaltungsorgan für solche Vorgänge auch die politische Verantwortung zu tragen habe.

Verantwortlichkeit in Sachen Islamlandkarte

Auch in einem anderen Fall muss sich die Datenschutzbehörde nun wieder die Frage der Verantwortlichkeit stellen – nämlich wer für die umstrittene Islamlandkarte verantwortlich ist. Die Beschwerde, die die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) eingebracht hat, richtet sich nämlich gegen den Projektleiter und Professor für islamische Religionspädagogik Ednan Aslan, aber auch gegen die Universität Wien und die Dokumentationsstelle Politischer Islam.

Staatsanwaltschaft ermittelt noch

Mit dem Entscheid der Datenschutzbehörde ist der Fall Fußi vs. Innenministerium und Nehammer freilich noch nicht ganz geklärt – denn es bleibt die Frage, ob die Äußerungen Fußis einen Straftatbestand erfüllen. Zur Einvernahme war der Aktivist bereits im April bei der Staatsanwaltschaft. Ob es zu einer Anklage kommt, ist noch nicht entschieden, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Krems laufen noch. (Lara Hagen, 24.6.2021)