Intendant und Dirigent Alessandro de Marchi setzt heuer bei den Innsbrucker Festwochen auf zu entdeckende Raritäten wie Matthesons "Boris".

Foto: Kiran West

Schon der barocke Mensch wusste nach wohl dramatischer Erfahrung: Auf Pesthauch folgt Blütenduft. Nach der pandemisch bedingten Abschottung darf sich der Mensch wieder gemeinschaftlich etwas Gutes tun – die Blumen der Künste pflücken, zum Beispiel.

Für alle, die nach hochklassigen klingenden Kreationen lechzen, haben die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik einen prachtvollen Strauß an Veranstaltungen zusammengestellt. Im Bereich des Musiktheaters lockt man die Besucher mit gleich drei verschiedenen Produktionen ins Haus der Musik, den Hortus musicus dieses Sommers.

Welche Raritäten zaubert Chefgärtner und Dirigent Alessandro De Marchi dort aus dem Talon? Nach zahlreichen Gewächsen aus neapolitanischen Gefilden importiert der langjährige künstlerische Leiter der Festwochen 2021 ein Werk aus seiner Geburtsstadt Rom.

Erstmals eine Oper von Pasquini

Mit der 1680 in der Ewigen Stadt uraufgeführten Karnevalsoper L’Idalma overo Chi la dura la vince bringt De Marchi in Innsbruck erstmals eine Oper von Bernardo Pasquini zu Gehör.

Am Ende einer Dekade als führender Komponist Roms – und als ein solcher mehr ein die Vergangenheit Vervollkommnender denn ein revolutionärer Neuerer – beweist sich Pasquini in L’Idalma als ein Maestro der bewusst reduzierten Mittel und der introvertierten Dramatik. Spannend ist mitzuerleben, wie Pasquini die amourösen Turbulenzen zweier Paare um einen Don-Juan-haften Angelpunkt in Musik zu setzen versteht.

Für die Uraufführung der Oper im Teatro Capranica wurde seinerzeit der Theatersaal umgebaut und erweitert. Im Großen Saal des Hauses der Musik, in das die Festwochen aufgrund der Renovierung des nahen Landestheaters ausgewichen sind, wird für L’Idalma nicht nur eine zusätzliche Zuschauertribüne errichtet.

Das Konzept

Das entsprechende Regiekonzept von Regisseurin Alessandra Premoli beinhaltet ebenfalls einige Bauarbeiten auf offener Bühne. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die wundervolle Arianna Vendittelli in der Titelpartie nicht selbst die Hände schmutzig machen muss.

Ebenfalls im Haus der Musik sind zwei deutsche Opern der Barockzeit zu erleben. In der Schiene Barockoper:Jung wird Johann Matthesons Boris Goudenow gezeigt. 164 Jahre vor Meister Modest Mussorgski hat sich der deutsche Komponist tatsächlich bereits mit der Geschichte des russischen Zaren beschäftigt, das Werk wurde aber zu Matthesons Lebzeiten nie aufgeführt. Aus politischen Gründen?

Flore Van Meerssche singt in Matthesons "Boris Goudenow".
Foto: Franziska Schroedinger

Immerhin: 16 Jahre nach ihrer arg verspäteten szenischen Uraufführung in Hamburg ist die Politkomödie nun in den Kammerspielen zu erleben. Andrea Marchiol erweckt mit dem Concerto Theresia die hochoriginelle, mit dezenten Farben verführende Musik Matthesons zu klingendem Leben, Jean Renshaw setzt die Oper sowie die Preisträgerinnen des letztjährigen Cesti-Wettbewerbs in Szene.

Es geht um Liebe

Wie Mattheson war auch Georg Philipp Telemann in seinen Musiktheaterwerken sein eigener Librettist – und wie dieser dabei sogar auch ein äußerst unterhaltsamer. In seiner für Hochzeitsfeierlichkeiten in Frankfurt komponierten Pastorelle en musique dreht sich anlassgemäß alles natürlich um das Thema Nummer eins, die Liebe.

Dorothee Oberlinger leitet Telemanns "Pastorelle".
Foto: Stefan Gloede

Für die musikalische Umsetzung der Arien, Airs und Chortableaus sorgen Dorothee Oberlinger und das Ensemble 1700, Nils Niemann wird die Schäferkomödie historisch informiert in Szene setzen: also mit Gesten, so exaltiert wie Orchideenblüten. (Stefan Ender, 26.6.2021)