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Nach seiner Freilassung kehrte Bill Cosby in sein Zuhause in Philadelphia zurück.

Foto: REUTERS/Rachel Wisniewski

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Dort erwartete ihn unter anderem eine Frau, die gegen das umstrittene Urteil protestierte.

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Da steht er, vor seiner Haustür, die er nach knapp drei Jahren Haft wiedersieht. Und dann? Dann formt seine rechte Hand das Victoryzeichen und er reckt sie gen Himmel. Es ist ein großer Moment für Bill Cosby. "Ich habe nie aufgehört, an meine Unschuld zu glauben", sagt der 83-Jährige. Der einstige TV-Star ist freigekommen, vollkommen überraschend, und es ist ein Urteil, das die USA wohl beschäftigen und spalten wird wie der Freispruch für O. J. Simpson.

2018 war Cosby wegen sexueller Nötigung zu drei bis zehn Jahren Haft verurteilt worden. Das galt als erster großer Sieg der #MeToo-Bewegung. Gegen ihn gab es immer wieder Vorwürfe, doch er kam stets ohne Schuldspruch davon – bis dahin. Und auch jetzt wieder.

DER STANDARD

2018 verurteilt

Verurteilt wurde Cosby 2018 dafür, im Jahr 2004 eine Mitarbeiterin seiner einstigen Uni unter Drogen gesetzt und sexuell genötigt zu haben. Es war der einzige von zig Vorwürfen gegen den Entertainer, der nicht verjährt war.

Bereits 2005 wurde diesbezüglich ermittelt. Staatsanwalt Bruce Castor war jedoch der Meinung, ein strafrechtlicher Schuldspruch sei mangels Beweisen unwahrscheinlich. Um Cosby zumindest irgendwie belangen zu können, machte er einen Deal mit dessen Anwälten: Wenn Cosby in einem Zivilprozess zum gleichen Fall vor Gericht aussagt, verspricht ihm Castor, ihn strafrechtlich nicht mehr zu verfolgen.

So kam es schließlich auch: Der Strafrechtsprozess wurde eingestellt, Cosby sagte im Zivilprozess aus. Schließlich endete alles mit einer außergerichtlichen Einigung mitsamt einer Millionenzahlung Cosbys an die Uni-Mitarbeiterin.

Die Absprache ignoriert

16 Jahre nach dem Versprechen Castors begründete das Höchstgericht von Pennsylvania nun damit die Aufhebung des Schuldspruchs für Bill Cosby. Denn an diesen Deal fühlte sich Castors Nachfolger, Kevin Steele, nicht gebunden. Stattdessen rollte er den Fall 2015 neu auf und klagte Cosby, bevor auch diese Vorwürfe verjährt wären. Dabei verwendete er Cosbys Aussagen aus dem Zivilprozess.

Bei diesen Ermittlungen wurde auch Castor nach den Details des Deals befragt. Dabei erklärte er, dass die Vereinbarung 2005 lediglich in einer Pressemitteilung festgehalten worden war. Demnach stand darin, dass Castor Cosby in diesem Fall nicht mehr strafrechtlich verfolge. Auf Nachfrage erklärte der Jurist, dass er damit gemeint habe, Cosby sei damit "für immer" geschützt. Sein Nachfolger interpretierte die Pressemitteilung hingegen so, dass Castor durchaus offengelassen habe, ob er das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehme.

Sofortige Freilassung angeordnet

Das Höchstgericht folgte Castors Interpretation und erklärte, Cosby hätte gar nicht mehr angeklagt werden dürfen – das habe seine verfassungsmäßigen Rechte verletzt. Um das wiedergutzumachen, müsse Cosby sofort freigelassen werden – was auch passierte. Außerdem dürfe er in diesem Fall niemals mehr strafrechtlich verfolgt werden.

Die Begründung bewerten Juristen in den USA unterschiedlich. Einige halten die Urteilsaufhebung für überfällig. Andere, wie Jusprofessor Wesley Oliver, können sie nicht nachvollziehen. "Ich habe noch nie gehört, dass ein Urteil aufgrund eines inoffiziellen Versprechens eines Staatsanwalts aufgehoben wird", sagte Oliver dem Sender PBS.

Auch die Öffentlichkeit ist gespalten, vor allem Frauen aus der #MeToo-Bewegung zeigen sich empört. Und Bruce Castor, der damals den Deal ausverhandelt hat und letztes Jahr als Donald Trumps Anwalt im zweiten Impeachment-Prozess landesweit bekannt wurde? Der sagte in einem Interview: "Ich dachte 2005, ich treffe die richtige Entscheidung. Und das denke ich immer noch." (Kim Son Hoang, 1.7.2021)