Gonzalez-Foerster als eine von Klimts Gorgonen-Töchtern.

Foto: Dominique Gonzalez Foerster & Camille Vivier

Zuallererst gab es die Idee, den großen Ausstellungsraum der Wiener Secession mit einer tragbaren Ausstellung zu bespielen. Ja, tatsächlich zum Anziehen. Es hätte Kostüme gegeben, die sich das Publikum hätte überstreifen können, das so selbst zum Kunstwerk geworden wäre. Dass dies auch wegen Corona nicht geklappt hat, ist zwar zu bedauern, doch steht die nun realisierte Idee der ursprünglichen um nichts nach. Die raumgreifende Installation der Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster breitet sich wie eine poppige Landschaft im Hauptraum aus. Aber hallo!

Ein kreisrunder Teppich wächst wie Rasen aus dem Boden, wird zu Display und Verweilfläche. Vereinzelt liegen darauf mit kritischen Sprüchen bedruckte Sitzpolster, die an Schilder erinnern, die eine Meute nach einem Protestmarsch liegen gelassen hat: "Eat pussy not cows", "Queer and loving it", "There is no plan B" oder "White silence is violence". Doch verlassen ist diese digitale Bildcollage, die die Teilnehmerin der letzten Venedig-Biennale als ortsspezifische Landschaft für die Secession erschaffen hat, trotzdem nicht.

Eine bunte Truppe

Unter dem Titel Volcanic Excursion (A Vision) erhebt sich eine Wand mit 24 Meter Länge und fünf Meter Höhe einem Diorama ähnlich, auf der 235 Menschen, aber auch Tiere (Lamas!), Aliens und sogar ein ausbrechender Vulkan auftreten. Eine bunte Truppe, die ebenfalls für den friedlichen Kampf für mehr Gerechtigkeit, Toleranz, Diversität gekommen ist: "Black trans lives matter" oder "Animals are not ours to use". Es mag pathetisch klingen, aber hier taumelt man in ein fluides Schlaraffenland mit Vogelgezwitscher, in dem jegliche binäre Grenze aufgelöst scheint.

Früher eiserner Vorhang

Ausgangspunkt für diese Komposition war das Wandbild Traum an einem Sonntagnachmittag in der Alameda Central des mexikanischen Malers Diego Rivera. Die Menschenansammlung hat Gonzalez-Foerster erweitert und ausgetauscht, sich dem Hintergrund aber angelehnt. Und drei Figuren daraus finden sich auch in der Menschenansammlung: Finde die Frida Kahlo!

Dieses Environment hat die französische Künstlerin, die übrigens 2015 den eisernen Vorhang in der Wiener Staatsoper gestaltet hat, aus Found Footage und Fotografien bekannter Persönlichkeiten, privater Bekannter und historischer Figuren aus Literatur, Film und Kunst zusammengeflickt. Ein wilder Mix mit Marlene Dietrich, Josephine Baker, Valie Export, Greta Thunberg, James Baldwin, Arthur Rimbaud, Jakob Lena Knebl oder Cindy Sherman. Gustav Klimt wird besonders geehrt, seinem Beethovenfries in der Secession sogar einzelne Figuren entnommen.

Sie verkörpert selbst

So wird der Gigant Typhoeus, der bei Klimt als "Affen-Schlangen-Ungetüm" dargestellt wird, zum zentralen Rednerpult für die demonstrierende Horde. Seine drei Gorgonen-Töchter – die Krankheit, Wahnsinn und Tod verkörpern – mischen sich auch als pandemische Boten der Zeit darunter. Allerdings werden diese von Gonzalez-Foerster selbst verkörpert, in solchen sogenannten "Apparitions" tritt sie in ihrem Tafelbild mehrmals als jemand anderes in Erscheinung. Realität und fiktives Spiel verschwimmen denn auch zunehmend. Angeblich erschienen der Künstlerin die meisten Ideen auch im Traum. (Katharina Rustler, 5.7.2021)