Sylvester Stallone als Boxer "Rocky" – ohne Monokelhämatom verlässt er keinen Ring. Heute wird Sly 75.

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Im Jahr 1993 erschien mit Demolition Man ein Film, der die Arbeit des Sylvester Stallone auf den Punkt brachte. Denn mit wenigen Ausnahmen liegt ein Filmset in Schutt und Asche, wenn Stallone durch ist. Das Blut der Gegner sickert in den Grund, und Sly schnaubt vor Anstrengung, braucht nach all dem Adrenalin, Testosteron und Schießpulver noch ein wenig, um zu realisieren, dass seine Mission erfüllt ist. Der Schnellste ist er nicht, aber konsequent, nicht umzubringen, ein Actionheld.

Gleichzeitig sind das Momente, da man denkt: Gut, dass er Schauspieler geworden ist und nicht Architekt oder Blumenbinder. Wobei manche Stallone ungern Schauspieler nennen, vielen geht er bloß als Darsteller durch. Ungeachtet von derlei Kunstfilmfuzzi-Diskussionen gilt: Michael Sylvester Gardenzio Stallone ist einer der erfolgreichsten Actiondarsteller des Kinos.Heute wird dieses Hollywood-Phänomen 75 Jahre alt.

"Rocky" und "Rambo"

Die Karriere des New Yorkers nahm in den 1970ern mit kleinen Rollen in Filmen wie Bananas von Woody Allen oder Serien wie Kojak Fahrt auf. 1976 gelang ihm der weltweite Durchbruch mit einer von zwei Rollen, die bis heute an ihm kleben wie Schatten: mit dem Boxerdrama Rocky, dessen Drehbuch er selbst verfasst hat.

Rocky ist eine Hämatom-positive Geschichte, in der Stallone den Titelhelden verkörpert, der am Ende schwer lädiert moralisch obsiegt: Der amerikanische Traum in zwölf Runden. Er spielt einen "ordinary guy", der über sich hinauswächst, ein gutes Herz und keinen Box-Stil hat, mit dem er in einem echten Kampf bestehen könnte, wurscht. Acht Sequels folgten bis 2018 – die Glaubwürdigkeit nahm dabei nicht zu.

Seine zweite Paraderolle ist die des John Rambo. 1982 ergab er sich erstmals diesem Aderlass: Ein Vietnam-Veteran wird von einem fiesen Sheriff aus einer Kleinstadt gejagt, der, Rambo, kommt zurück und macht alles kaputt.

Gesichtslähmung

Was als Drama mit sozialkritischem Touch begann, verstieg sich in den Fortsetzungen in plumpem Hurra-Patriotismus der Ronald-Reagan-Ära, aber die Kasse klingelte. Weder für Rocky noch für Rambo musste er sich viel Text merken: "Let destruction do the talking." Und dann ist da sein Gesicht.

Stallones Antlitz ist nur eingeschränkt mimisch tauglich; eine von Geburtszangen ausgelöste Lähmung ist daran schuld. Dieser Umstand und ein wahlweise im Dackelblick oder Overacting sein Heil suchendes Spiel münden in einem krassen Expressionismus: Wenn er im Armdrücker-Film Over the Top am Ende den härteren Bizeps hat – Grundgütiger –, schön anzusehen ist das nicht, unfreiwillig komisch schon.

Unfreiwillig komisch

Punkrocker Henry Rollins hat einmal gesagt, immer wenn er nicht gut drauf sei, schaue er sich einen Stallone-Film an. Je ernsthafter der sich versuche, desto lustiger sei der Film. Gewollte Komödien wie Oscar oder Stop! Or My Mom Will Shoot floppten hingegen kläglich.

Doch es gibt natürlich gute Stallone-Filme. F.I.S.T. (1978) ist ein mitreißendes Gewerkschafter-Drama, Nighthawks (1981) ein solider Großstadt-Thriller, Rocky und Rambo (First Blood) sowieso. 1997 spielte er in Cop Land neben Robert De Niro, Ray Liotta und Harvey Keitel eine unüblich passive Rolle als schwerhöriger, übergewichtiger Polizist mit moralischem Kompass. Aber das war die Ausnahme: Stallone ist der Cliffhanger, der, der in Daylight alles überlebt, was einen normal umbringt, der Specialist für das Unlösbare – ein Vollkontakt-Mann, dessen Einsatz bis zum Nackenbruch reicht.

Botox und Übergriffe

Der gemäßigte Republikaner war bisher dreimal verheiratet, unter anderem mit dem Model Brigitte Nielsen. Stallone ist ein erfolgreicher Unternehmer und war neben seinem Freund Arnold Schwarzenegger einer der Mitbegründer der Planet-Hollywood-Kette. Mehrmals wurden Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen ihn erhoben, zu einer Anklage kam es nie, Stallone hat stets alle Anschuldigungen bestritten.

In den sozialen Medien zeigt er sich heute als rüstiger Rentner, der keine Gelegenheit auslässt, sich selbst zu verarschen. Und noch einmal muss man sein Gesicht erwähnen. Mit 75 Jahren sieht der zusätzlich von Botox gezeichnete Star nämlich aus, als hätte er gegen Rocky zehn Runden ohne Deckung absolviert. Schön anzusehen ist das nicht, aber man soll ja nicht so oberflächlich sein.

Happy birthday, Sly. (Karl Fluch, 6.7.2021)