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Wenn Sie Chefarzt sind, stapeln Sie tief beim Online-Dating. Schreiben Sie: "Ich bin im medizinischen Bereich tätig", das macht Sie sympathisch.

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"Ich hab genug von diesen ganzen Hochstaplern", erklärt meine Freundin Susi. Ihr letztes Tinder-Date (Mark, 43) ging doch schon eher auf die sechzig zu. Auch der Kandidat davor (Sebastian, 39) hatte sein Profil ordentlich hochgejazzt: Der Philosophiedozent arbeitet in Wirklichkeit seit fünfzehn Jahren als Fahrradkurier. – "Dabei hätte ich das sogar cool gefunden!", betont Susi. "Was mich abtörnt, ist diese lächerliche Angeberei."

Fake-News • Wie soll man mit "alternativen Fakten" umgehen? Geschönte Lebensläufe sind ja nicht nur in der Politik, sondern auch bei der Partnersuche ein Problem. Denken wir nur an die biederen Kinofilme aus den 1950er-Jahren: Ständig wurde da irgendein Chauffeur für einen Grafen gehalten, und Backfische gaben sich als Revuestars aus. Heute, wo ohnehin jeder ein Topperformer ist, ob auf Instagram oder in einem richtigen Job: Wen interessiert da noch diese ganze Marktschreierei?

Happy End • Dass modernes Dating anders geht, durfte ich vor kurzem bei einem Abendessen erfahren. Die Gastgeber, ein glückliches Paar: zwei Männer in ihren frühen Vierzigern; attraktiv, lustig, intelligent – beide beruflich erfolgreich. Ich weiß, das hört sich fast schon kitschig an. Aber das Leben kann eben nicht nur kompliziert, sondern auch schön. Tut es manchmal nicht gut, live dabei zu sein, bei so einem Happy End? Das macht Mut. Vor allem, wenn man weiß, wie sich Thomas (42) und Klaus (41) kennengelernt haben: nicht bei einem Kongress oder in einem schicken Sportklub, sondern über eine Kennenlern-App.

Im echten Leben • Und hier kommt die Sache mit dem Tiefstapeln ins Spiel: Thomas, im echten Leben Hoteldirektor, gab in seinem Profil "Mitarbeiter eines Gastronomiebetriebes" an. Klaus, in Wirklichkeit Chefarzt, empfahl sich als "im medizinischen Bereich tätig". Keiner hatte den Stress, dem anderen nicht zu genügen: "Wahrscheinlich ist er Koch oder Kellner", glaubte der eine. "Sympathisch, ein Krankenpfleger", dachte der andere.

Ultimativer Tipp • Understatement könnte schlecht für die Karriere sein. Privat ist es der ultimative Tipp: Falls Sie als Bildungsminister auf Parship sind, schreiben Sie "im pädagogischen Bereich tätig". Sollten Sie als Popstar auf Okcupid surfen, weisen Sie sich als "Assistentin einer Eventagentur" aus. Doch Vorsicht: Decken Sie das Missverständnis rasch auf. Sollte Ihre Affäre glauben, dass Sie in einem Reisebüro arbeiten – und nach Jahren draufkommen, dass Sie ein KGB-Spion sind, dann ergeht es Ihnen wie dem sexy Philip in der US-Serie The Americans: Sie haben ein verdammtes Problem!

(Ela Angerer, RONDO, 17.7.2021)