Museumsdirektorin Danielle Spera denkt nicht an die Pension und verweist auf amtierende Kollegen wie Albertina-Direktor Klaus-Albrecht Schröder oder Johanna Rachinger.

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Vergangene Woche lief die Bewerbungsfrist für die jüngst neu ausgeschriebene Geschäftsführung des Jüdischen Museums Wien (JMW) der Stadt Wien aus. Die Anzahl der Kandidaten, die sich um die künstlerisch-wissenschaftliche und betriebswirtschaftliche Leitung des Hauses bemühen, soll sich in einem hohen zweistelligen Bereich bewegen. Danielle Spera, seit Juli 2010 in dieser Funktion, ist eine von ihnen, wie sie dem STANDARD bestätigt.

Gesetzt dürfte ihre dritte Verlängerung jedoch nicht sein. Denn in der Wiener Stadtregierung gibt es Vorbehalte gegen Spera, bei der vor allem die ihr zugeschriebene Nähe zur ÖVP atmosphärisch eine Rolle spielen soll. Dabei gehe es weniger um ihren Ehemann, den türkisen Nationalratsabgeordneten Martin Engelberg, sondern um ihre eigenen Involvierungen – wie jene im Thinktank von Antonella Mei-Pochtler, der Bundeskanzler Sebastian Kurz berät.

Kein Problem für Spera

Spera selbst sieht hier kein Problem. Sie empfindet diese Nominierung als Privileg, sagt sie und sieht sich dabei keineswegs als parteipolitisch instrumentalisiert. Stattdessen verweist sie auf ihre ausgezeichneten Kontakte zu Politikern und Politikerinnen jeder Couleur, ausgenommen zur FPÖ.

Theoretisch wäre die zweite Amtsperiode der heute 63-Jährigen bereits im Juni vergangenen Jahres ausgelaufen. Praktisch hatte die Wien Holding zuvor ihren Vertrag bis Ende Juni 2022 verlängert: ohne internationale Ausschreibung, die regulär – für Kandidaten und Kandidatinnen in aufrechten Dienstverhältnissen wohl zeitlich knapp – im Frühjahr angestanden wäre. Davon sah man während des pandemiebedingten Lockdowns ab, wie es auf Anfrage heißt.

Die Pension

So weit die offizielle Version. Inoffiziell soll manch einer davon ausgegangen sein, dass sich Spera nicht neuerlich bewerben und sich rund um ihren 65. Geburtstag kommendes Jahr in die Pension verabschieden würde, die sie als Jahrgang 1957 schon vor drei Jahren hätte antreten können. Spera selbst aber hat andere Pläne. Sie verweist auf amtierende Kollegen wie Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder (65) oder Johanna Rachinger, die am Ende ihrer jetzt verlängerten Funktionsperiode an der Spitze der Österreichischen Nationalbibliothek das 66. Lebensjahr erreicht haben wird.

Gute Zahlen

Speras bisherige Bilanz als Museumsdirektorin kann sich, wenn man sie an den Zahlen bemisst, durchaus sehen lassen. Unter ihrer Leitung waren die Besucherzahlen an den Standorten Palais Eskeles (Dorotheergasse) und Judenplatz seit ihrem Antritt deutlich gestiegen, von 87.400 im Jahr 2010 auf 144.039 im Vorpandemiejahr 2019. Auch erhöhten sich die Erlöse aus Eintritten von 167.487 Euro auf 813.519 Euro um ein Vielfaches, ebenso die Einnahmen aus Spenden und Sponsoring von 57.212 Euro auf 338.895. Die Summe der Förderungen der Stadt Wien und auch jene des Bundes blieben in diesem Zeitraum unverändert bei knapp vier Millionen Euro.

In ihrer Bilanz kann sie unter anderem auf die Einrichtung einer Dauerausstellung in dem beschränkten Raum, prominente Schenkungen und Programme für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten verweisen.

Wenig Anerkennung

Mit ihrem Ausstellungsprogramm konnte sie neue Publikumsschichten anziehen, doch in Fachkreisen findet es nicht immer Anerkennung. Sie konzentriere sich auf Wohlfühlschauen und fashionable Erfolgsstorys ohne gesellschaftspolitische Bedeutung oder Fragestellungen, heißt es in Teilen der wissenschaftlichen Community, die sich auch am Mangel an relevanten Forschungsprojekten stößt.

Auch ruft diese Community durchaus vehement den nun schon seit Jahren quasi ins Depot verbannten, allerdings großartigen Bestand des Museums inklusive der Sammlung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) als Dauerleihgabe in Erinnerung.

Überhaupt ist die IKG für Spera ein Minenfeld. Die Spannungen zwischen der IKG-Führung unter Präsident Oskar Deutsch sowie dessen Vorgänger Ariel Muzicant und dem Ehepaar Engelberg-Spera sind wohlbekannt. Im Anforderungsprofil in der Ausschreibung werden "gute Kontakte zur jüdischen Gemeinde in Wien, insbesondere zur IKG" eigens betont.

Der Gedenkveranstaltung anlässlich des internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocausts unter der Regie von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) war die IKG aufgrund der Koalition mit der FPÖ im Jänner 2018 fern geblieben. Zu den Programmpunkten gehörte ein von Danielle Spera moderiertes Zeitzeugengespräch.
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Vorauswahl treffen

Die Kultusgemeinde wird ebenso in der Findungskommission vertreten sein wie die Kulturabteilung der Stadt Wien und die Wien Holding (beide SPÖ). Personalberater Deloitte wird in den nächsten Wochen eine Vorauswahl treffen. Die Hearings mit den infrage kommenden Kandidaten und Kandidatinnen sind für Herbst vorgesehen.

In der Wien Holding wird Speras Arbeit hervorragend beurteilt. Dennoch sei die Ausschreibung kein Formalakt, heißt es. Man wolle die Chance, andere Bewerber zu sichten, unbedingt nutzen und schließe einen Generationenwechsel nicht explizit aus. (Olga Kronsteiner, 7.7.2021)