Der Corona-bedingt in den vergangenen Monaten meist leere Sitzungssaal des ORF-Stiftungsrats auf einem Archivbild.

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Gerd Bacher, selbst ein Meister der taktischen Mehrheiten im politisch besetzten obersten ORF-Gremium, reichte es. Rote Stiftungsräte des ORF hätten das ORF-Gesetz verletzt mit einem "Freundeskreistreffen" im Beisein des damaligen SPÖ-Klubobmanns Josef Cap, sozialdemokratische und bürgerliche Stiftungsräte wiederum mit Absprachen über ORF-Direktorenjobs.

Der legendäre ORF-Generalintendant brachte 2012 mit André Heller und dem Publizisten und langjährigen Club 2-Chef Peter Huemer formelle Beschwerde bei der Medienbehörde KommAustria ein über Stiftungsräte, die die gesetzlich vorgeschriebene Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit verletzt hätten.

"Keine Pflichtverletzung"

Die KommAustria wies die drei um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besorgten ORF-Legenden ab. Eine "bloße informelle Organisation in ,Freundeskreisen‘" sei ebenso wenig eine "konkrete Pflichtverletzung" wie die Mitgliedschaft in anderen Vereinigungen, fand die Behörde. "Absprachen einzelner Stiftungsräte während oder im Vorfeld einer Stiftungsratssitzung untereinander, die ihr Stimmverhalten allenfalls aufeinander abstimmen", verletzten das Gesetz nicht. Und "das bloße Einholen von Informationen vom Klubobmann einer im Parlament vertretenen politischen Partei zu einem bestimmten Thema stellt keine Anordnung dar, die die Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte".

Klubobmann Cap sagte aus, man habe im Freundeskreis nur öffentlich Bekanntes besprochen. Damals ging es um das geplante Engagement des roten Freundeskreissprechers Niko Pelinka als Büroleiter von ORF-Chef Alexander Wrabetz. Wer würde schon vor der Behörde sagen, man habe versucht, Stiftungsräten gesetzeswidrige Anweisungen zu geben?

Was darf man unter Freunden?

Matthias Traimer, Michael Kogler und Michael Truppe schrieben dazu im Standardwerk Österreichische Rundfunkgesetze: Die regelmäßig in der öffentlichen Kritik stehende Praxis, dass sich die Mitglieder des Stiftungsrats in Form sogenannter Freundeskreise organisieren und untereinander abstimmen, stellt per se noch keinen Verstoß gegen die Unabhängigkeitsgarantie dar. Zu problematisieren wären aber konkrete Aufträge – etwa der Mehrheit – gegenüber einzelnen Mitgliedern hinsichtlich des Stimmverhaltens beziehungsweise eine Einflussnahme von außerhalb des Unternehmens stehenden Dritten.

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Die türkise Mehrheitsfraktion im ORF-Stiftungsrat traf sich vorige Woche zur ersten von zwei größeren Vorbesprechungen zur Generalswahl 2021 am 10. August. Dabei war der Medienbeauftragte von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gerald Fleischmann. Und wie bei vielen Sitzungen zuvor Roland Weißmann, Vizefinanzdirektor des ORF. Nun ist Weißmann aber möglicher – bisher nicht deklarierter – bürgerlicher Kandidat für die Generalswahl.

Genehmigung des Generals

Das ist auch juristisch heikel: Ein Freundeskreis ist kein Organ des Stiftungsrats und kann nicht vom amtierenden ORF-Generaldirektor verlangen, er wolle mit bestimmten Personen aus dem ORF sprechen; ohne Zustimmung des Generals wäre das noch problematischer, sagt Rundfunkrechtsexperte Hans Peter Lehofer auf Anfrage nach seiner juristischen Einschätzung. Er war erster Leiter der Medienbehörde, bevor er in den Verwaltungsgerichtshof wechselte. ORF-Mitarbeiter müssten solche Kontakte dienstrechtlich wohl melden und abstimmen – mit dem Generaldirektor. Nicht öffentlich bekannte Interna des ORF dürften sie im Freundeskreis nicht kundtun, Stiftungsräte dürften ihm umgekehrt nicht verraten, was sie aus ihrer Ratstätigkeit wissen. Lehofer: "Es kann also, wie es laut Feststellungen der KommAustria damals bei Pelinka war, lediglich um ‚bereits zuvor in den Medien dargestellte Vorgänge‘ gehen, was ich mir jetzt nicht extrem spannend vorstelle." Vorabgespräche mit möglichen Bewerbern, ohne dass der Stiftungsrat etwa eine Findungskommission beschlossen hätte, seien zumindest "unprofessionell".

Die bürgerlichen Stiftungsräte vereinbarten im Freundeskreis Verschwiegenheit nach außen. Sprecher Thomas Zach erklärte lediglich, es sei um "die Zukunft des ORF gegangen", und zwar inhaltlich, nicht personell. Nach STANDARD-Infos legte sich der türkise Freundeskreis – er kann den nächsten ORF-Chef allein bestimmen – noch nicht auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin fest, am 19. Juli tagen die türkisen Freunde wieder. Kolportiert wurde: Wrabetz wolle man nicht verlängern.

Dienstag dieser Woche tagten die vier blauen Stiftungsräte, dabei war Herbert Kickl. Den neuen FPÖ-Chef traf ORF-General Wrabetz am Mittwoch wie auch Sebastian Kurz. Beim Kanzler soll es, offiziell jedenfalls, um ein neues ORF-Gesetz gegangen sein. Die rei grünen ORF-Stiftungsräte besprechen sich ebenfalls, auch mit Experten. Kandidaten aber würden sie nicht in ihren Freundeskreis einladen. (Harald Fidler, 9.7.2021)