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Nicht nur Hünen fallen wie die Bahnschranken, dicke Buben ebenfalls.

Foto: AP

Sehr zurecht wurde mit Gianluigi Donnarumma ein Hüne von Fußballtormann zum Spieler der Fußball-EM gewählt. Wer sah, wie diesem Rübezahl nach gewonnenem Elfmeterschießen die Tränen ungetrübten Glücks in den Bart kullerten, wird ihn auf ewig in sein Herz geschlossen haben.

Der Autor dieser Zeilen liebt ohnedies die Torhüter, diese karnevalesken Freaks im unbarmherzigen Fußballgeschäft. Als ich, ein molliger, unsportlicher Babyboomer, die ersten Gehversuche als Schönwetterfußballer unternahm, blies mich das Schicksal jedes Mal mit Windeseile ins Tor.

Stets wurden die beiden einflussreichsten Hosenmätze mit der Wahl ihrer Mannschaften beauftragt: In der stark reformorientierten Ära Bruno Kreiskys wurden sämtliche Lebensbereiche mit Demokratie geflutet. In einigen besonders fortschrittlichen Arbeiterfamilien, hieß es, hätten damals Kinder sogar versucht, ihre Väter als Haushaltsvorstände abzuwählen. Einfach, weil ihr Taschengeldniveau mit der steigenden Produktivität der Familien nicht mehr Schritt hielt!

Verwaiste Taschen

Doch ehe es so weit war, durften die beiden dicksten Buben im Park darauf vertrauen, als Letztaufgerufene im Tor zu stehen. Was hieß "Tor"? Mit Sporttaschen wurden zwei flügeltürbreite Areale vor dem Maschenzaun markiert. Fortan sah man mit vor Sehnsucht schwimmenden Augen, wie die Kameraden dem runden Leder nachjagten. Kam die Wuchtel dennoch angeflogen, hieß es sehr charmant: "Blader, moch di breid!" Es half alles nichts. Man fiel pflichtschuldig wie eine Bahnschranke um. Der Ball hoppelte dennoch ins Tor – mit der unnachahmlichen Eleganz eines Berufsspielers, der spätabends, in polierten Schuhen, ins Nachtcafé seiner Wahl tänzelt.

Meine diesbezügliche Rache war furchtbar. Blickte niemand zurück auf meine Einsamkeit im Tor, plünderte ich ohne Rücksicht die verwaisten Taschen ("Torstangen"). Schokoriegel, Schnitten, Snacks: Bald bildete ich im Tor eine unüberwindliche Barriere. Ich wuchs sukzessive mit meiner Aufgabe. Ich schob allem einen Riegel vor. (14.7.2021)