Das Jüdische Museum in Wien begeht das 100-Jahr-Jubiläum der Salzburger Festspiele mit der Ausstellung Jedermanns Juden. Sie beleuchtet die Rolle jüdischer Künstler, aber auch Mäzene bei der Gründung und ersten Blütezeit (bis 1938) der Festspiele.

Die Idee Hugo von Hofmannsthals und Max Reinhardts, eine ganze Barockstadt zur Bühne zu machen, war ein Ausdruck eines Kulturwillens, der dem zusammengestutzten Restösterreich nach dem Ersten Weltkrieg eine übernationale, europäische Bedeutung retten sollte. Aus diesem Anlass und über diesen Anlass hinaus kann man sich auch an den enormen kulturellen Beitrag erinnern, den jüdische Künstler und jüdische Mäzene zur Kultur der österreichischen Moderne geleistet haben, ehe sie dem organisierten Hass anheimfielen.

Im ausgezeichneten Katalog der Ausstellung heißt es zwar im Beitrag von Michael P. Steinberg: "In der österreichischen Moderne des Fin de Siècle gibt es also viele Juden und viel Jüdisches, aber es ist methodisch falsch und politisch fatal, sie als ‚jüdisches Phänomen‘ zu bezeichnen, sei es aus einer modernefeindlichen antisemitischen oder einer der Moderne angeblich freundlich gesinnten philosemitischen Perspektive."

Doch man muss in keines der beiden Extreme verfallen, um schlicht festzustellen: Das jüdische Großbürgertum um 1900 stellte großteils sowohl die materielle Basis als auch das Publikum für den Schub der Moderne. Die Industrialisierung der österreichisch-ungarischen Monarchie war zu einem beträchtlichen Teil auf emanzipiertes, wirtschaftlich erfolgreiches Judentum zurückzuführen.

Zugewandtheit zur Moderne

Wenn man in dem informativen Band 100 x Österreich: Judentum (Amalthea, 2020) von Danielle Spera, der Direktorin des Jüdischen Museums, die Kapitel über die Ringstraße nachliest, fällt die große Zahl von Palais der Gründerzeit auf, die von jüdischen Unternehmern und Bankiers errichtet wurden. In deren Salons wurden Künstler und Intellektuelle aufgenommen, die – jüdisch oder nicht – bis nach dem Untergang der Monarchie das kulturelle Leben beeinflussten. Zugleich weiß man aber, welchen Hass dieser Wohlstand – und diese Zugewandtheit zur Moderne – bei den traditionellen Christlich-sozialen und/oder Deutschnationalen auslöste.

Auch die Salzburger Festspiele stießen sofort auf provinziell- antisemitische Widerstände. Sowohl in der "patriotischen" Presse als auch in der Bevölkerung. Bei der Eröffnungsaufführung des Jedermann wurde mit knapper Not ein lautstarker Protest von Schülern des katholischen Borromäum verhindert, die gegen das "jüdische Element" protestieren wollten.

Ausstellungen wie Jedermanns Juden gehören zu einem Programm von Direktorin Danielle Spera, das von "Fachkreisen" als zu wenig "forschungsrelevant" kritisiert wurde (siehe dazu den STANDARD-Artikel von Olga Kronsteiner). Ohne die "wissenschaftliche Community" abwerten zu wollen – es ist mindestens so wichtig, einen publikumsnahen Einblick in diesen bedeutenden Teil unseres kulturellen Lebens zu bieten.

Darüber, was war, was immer noch ist und was sein könnte, sollte man sich in ansprechender Form informieren können. (Hans Rauscher, 14.7.2021)