Ob der Rückgabe an die Erben ein Verkauf folgt, ist derzeit nicht bekannt. Bei einer Auktion könnten Franz Marcs "Füchse" (1913) zumindest 15 Millionen Euro, wenn nicht 20 Millionen Euro oder mehr einspielen.

Foto: Kulturamt Düsseldorf (Museum Kunstpalast)

Die Tage von Franz Marcs 1913 gemalten Füchsen im Kunstpalast Düsseldorf sind gezählt. Wann das Bild in dem derzeit wegen eines Umbaus geschlossenen Museum in eine Klimakiste verpackt und abtransportiert wird, ist nicht bekannt, nur dass es so sein wird, ist klar.

Bereits Ende April hatte die Stadt die Rückgabe des Gemäldes an die Erben eines von den Nazis verfolgten Bankiers beschlossen. Dann war eine Strafanzeige wegen versuchter Untreue bei der Staatsanwaltschaft eingegangen, wie vergangene Woche bekannt wurde.

Laut Frankfurter Allgemeine Zeitung brachte sie ein ehemaliger vorsitzender Richter am Verwaltungsgerichtshof Berlin ein und richtete sich damit gegen die Mitglieder der Stadtverwaltung und des Stadtrates, die der – in Fachkreisen umstrittenen – Empfehlung der Beratenden Kommission für Raubkunstfälle gefolgt waren. Mangels eines konkreten Anfangsverdachts sind etwaige staatsanwaltliche Ermittlungen mittlerweile vom Tisch.

Umstrittene Restitution

In Fachkreisen wird die Causa wohl noch länger für Diskussionen sorgen. Es ist ein Präzedenzfall, denn es geht um sogenannte Fluchtkunst. In aller Kürze: Der von den Nationalsozialisten verfolgte jüdische Bankier Kurt Grawi, der 1938 einige Wochen im KZ Sachsenhausen interniert war, emigrierte 1939 nach Santiago de Chile.

Das 1928 von ihm erworbene Kunstwerk von Franz Marc gelangte über einen Freund nach New York, wo es im Frühjahr 1939 verkauft werden sollte. Verhandlungen mit dem Museum of Modern Art scheiterten: Der damalige Direktor bot 800 Dollar, Grawis Limit lag bei 1250 Dollar.

Einige Monate später wechselte es im Herbst 1940 über Vermittlung des aus Berlin emigrierten Kunsthändlers Karl Nierendorf für einen unbekannten Betrag in den Besitz des deutsch-amerikanischen Regisseurs William Dieterle nach Los Angeles.

Das Gemälde war demnach nie Gegenstand einer Beschlagnahme oder anderweitiger Entziehung, sondern nach Grawis Flucht aus dem Deutschen Reich außerhalb des nationalsozialistischen Herrschaftsbereiches verkauft worden.

Folgt man der in Europa bislang gängigen Entscheidungspraxis, dann wäre das kein Restitutionsfall. Auch in Österreich wäre, "formal betrachtet", keine Rückgabe vorgesehen, wie Franz-Stefan Meissel, Vizedekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und langjähriges Mitglied des Beratergremiums zur Klärung offener Provenienzfragen in der Leopold-Museum-Privatstiftung, auf STANDARD-Anfrage bestätigt.

Im österreichischen Kunstrückgabegesetz wird nur Vermögensentzug berücksichtigt, der "zwischen dem 30. Jänner 1933 und dem 8. Mai 1945 in einem Herrschaftsgebiet des Deutschen Reiches" Gegenstand eines Rechtsgeschäftes oder einer Rechtshandlung war.

Kein einstimmiger Beschluss

In Deutschland, wo eine sogenannte Handreichung eine rechtlich unverbindliche Orientierungshilfe bietet, war die Überprüfung eines NS-verfolgungsbedingten Entzuges "für Verkäufe nach dem 15. September 1935" bisher auch auf "inländische Rechtsgeschäfte" zugeschnitten. Die von der Stadt Düsseldorf und den Erben, die seit 2018 eine Rückgabe fordern, damit befasste Kommission wertete den Verkauf des Gemäldes – wenngleich "Grawi nicht gezwungen war, jedes Angebot zu akzeptieren" – dennoch als "NS-verfolgungsbedingten Entzug".

Die Begründung: "Die Veräußerung stand in unmittelbarer Folge zu der erzwungenen Emigration." Die Verkaufsentscheidung und -ausgestaltung seien direkt durch die nationalsozialistischen Repressionen ausgelöst worden. So nachvollziehbar die Argumentation wirkt, angesichts der in Deutschland bislang sehr restriktiven Handhabung überrascht sie durchaus. Die Empfehlung zur Restitution fiel auch nicht einstimmig, sondern aufgrund der Mehrheit von sechs Stimmen (bei drei Gegenstimmen).

Helmut Horten war involviert

Durchaus erzählenswert sind die Umstände, unter denen das Bild nach dem Zweiten Weltkrieg in den Bestand des Düsseldorfer Museums gelangte. Erwähnter Regisseur William Dieterle entschied sich 1961 für einen Verkauf. Im Juni des Jahres sollten die Füchse bei der Berner Galerie Klipstein & Kornfeld versteigert werden. Dazu kam es nicht. Stattdessen erwarb das Bild ein ehemaliger NS-Profiteur und Ariseur und schenkte es 1962 der Städtischen Kunstsammlung Düsseldorf. Der Name des um sein Image bemühten Mäzens: Helmut Horten.(Olga Kronsteiner, 23.7.2021)