Mittlerweile sind fast alle Gesellschaftsbereiche Wiens von Impfstationen durchzogen: Da fährt der Bus, da legt das Boot an, und da stehen Container an allerlei Straßenecken. Am Wochenende soll außerdem Marco Pogo, Bezirkspolitiker, Arzt und Bandleader, vor seinem Konzert in der Arena am Samstag Impfstiche setzen.

Dem Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) gefällt’s: Wäre er nicht schon geimpft, sagte er, würde er sich auch von einem Rock-’n’-Roll-Doktor impfen lassen. Pogo macht zwar eigentlich Punk, aber das ist vielleicht nebensächlich. Was die Durchimpfungsrate angeht, ist in Wien jedenfalls Luft nach oben: Knapp 53 Prozent sind vollimmunisiert.

Den Stich erhält man nun auch im Dom.
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Stephansdom: Die Nadel zur Hostie

Durch die Lautsprecherboxen des Stephansdoms hallt die Stimme von Dompfarrer Toni Faber. Doch er hält an diesem Mittwochvormittag keine Messe, sondern ruft unter großem Medienandrang zur Corona-Impfung auf. "Der Stephansdom gehört nicht nur den Katholikinnen und Katholiken, nicht nur dem Erzbischof und dem Dompfarrer, sondern allen Österreicherinnen und Österreichern. Dort, wo wir einen Beitrag zur Gesundheit leisten können – und die Impfung ist so ein Kardinalsweg – dort, wollen wir das tun", sagt Faber. Zwei Wochen lang kann man sich jeweils von Donnerstag bis Sonntag zwischen 10 und 21 Uhr das Vakzin in der Barbara kapelle im Nordturm des Steffls abholen. "Papst Franziskus hat schon im Dezember gesagt, dass wir mit der Impfung eine unbedenkliche Möglichkeit haben, einen Beitrag zu leisten für die Überwindung der Pandemie. Diesen Schritt dürfen und wollen wir nicht auslassen", sagt Faber.

Gestochen wurde bei der Eröffnung am Mittwoch aber nur eine Person – während der Stich sonst nur wenige Sekunden dauert, wurde dem Impfling für die vielen Fotos die Spritze weitaus länger angesetzt. Künftig wird es deutlich schneller gehen, einen Termin braucht man nicht.

Nächstenliebe und Solidarität

"Ungewöhnlich" nannte der anwesende Kardinal Christoph Schönborn die Aktion im Dom. Er sei aber "sehr erfreut" über die Initiative, denn je mehr Menschen geimpft würden, desto schneller könne die Immunität der Bevölkerung gesteigert und die Pandemie überwunden werden. Ein weiteres "möglichst niederschwelliges Angebot" sei durch die Aktion geschaffen worden, ist sich auch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sicher. Was die Stadt und die Kirche gemein haben? "Solidarität und Nächstenliebe", betonte Ludwig und das Impfen sei ein Akt dessen.

Das Impfboot sucht Badestrände auf.
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Boot: Impf- statt Sonnenstich an der Alten Donau

Ins Wasser hüpfen, plantschen, Eis schlecken und Pommes essen, am Handtuch liegen, schwitzen, in die Sonne blinzeln – und zur Impfung gehen. So kann seit Mitte Juli ein ganz normaler Badetag an der Alten Donau aussehen. Denn seit 16. Juli schippert bei sonnigem Wetter an den Freitagnachmittagen und am Wochenende das Impfboot zu beliebten Badeplätzen an der Oberen und Unteren Alten Donau. An Freitagen ist es von 14 bis 18 Uhr und an den Samstagen und Sonntagen von 11 bis 15 sowie von 16 bis 19 Uhr unterwegs, zum Beispiel beim Angelibad oder beim Gänsehäufel.

Von Bord des Gefährts der MA 45 (Wiener Gewässer) gehen Johanniter, die an Land einen Tisch und Sonnenschirm aufbauen – eine kleine Impfstation, bei der Willige den Stich gegen Covid-19 erhalten.

Überschaubare Zahl

Diese Art des niederschwelligen Impfangebots erregt Aufmerksamkeit. Und das ist wohl das Hauptziel dieser Aktion. Rund 150 Menschen wurden innerhalb von knapp vier Wochen in diesem Rahmen geimpft. Keine riesige Anzahl also. Damit bleibt das mit Vakzinen beladene Gefährt weit unter den Möglichkeiten, die es böte: Zwölf bis 15 Personen pro Stunde könnten von der Crew immunisiert werden, heißt es aus dem Büro des Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ). Die Verantwortlichen sehen darin dennoch einen Erfolg. Allerdings habe das Wetter bisher nicht immer so gut mitgespielt, zum Beispiel auch vergangenen Freitag.

Über 18-Jährige werden am Badestrand mit einer Dosis vom Hersteller Johnson & Johnson geimpft. Sie benötigen dann keinen weiteren Stich, um vollimmunisiert zu sein. Minderjährige erhalten Biontech/Pfizer und können sich für den zur Vollimmunisierung notwendigen Zweitstich mit entsprechendem Abstand von vier Wochen im Austria Center holen.

Einkaufszettel: Eier, Brot, Impfung.
Foto: Regine Hendrich

Einkaufszentren: Impfen in der Lugner City

Die Fahrt aus Graz in die Wiener Lugner City war es ihr wert, sagt Lisa (22). In der Hand hält sie allerlei Papierkram, sie steht neben einem Stehtisch, darauf eine Nierenschale voller Kugelschreiber. "In Graz geht das nicht so einfach wie hier", sagt sie.

Zwar gibt es in allen Bundesländern mittlerweile niederschwellige Impfangebote, in Wien heftet man sich aber besonders an die Fahnen, dass man den Impfstoff zu den Leuten bringt. So auch in drei Einkaufszentren: der Lugner City, dem Auhof Center und dem Riverside. Allein in der Lugner City wurden nach Angaben der Johanniter schon über 1000 Dosen verimpft, in den beiden anderen Einkaufszentren wurden laut Büro des Gesundheitsstadtrats in den ersten vier Tagen 370 Dosen verabreicht – vor allem jene von Johnson & Johnson, die an über 18-Jährige gehen.

T-Shirt als Impfgoodie

Auch hinter Lisa baut sich an diesem Vormittag langsam, aber stetig eine Menschenschlange auf, die sich ohne Voranmeldung einen Impfstich abholen will. Warum die 22-jährige Lisa bis jetzt gewartet hat? Erstens war sie einfach "unentschlossen, wie das läuft", sagt sie. Aber dann hat sie mit ihrer Mutter und einer Freundin, die beide schon geimpft wurden, gesprochen. "Und da ist nichts passiert". Das habe sie bestärkt. Vor allem aber will sie diese Woche nach Amsterdam in den Urlaub, das sei eigentlich der Hauptgrund, warum sie nun hier stehe.

Und während sich die österreichische Politik noch nicht zu Impf-Goodies, wie es sie in zahlreichen Ländern bereits gibt, durchgerungen hat, hat Einkaufszentrums-Chef Richard Lugner längst das Werbepotenzial dahinter entdeckt: Wer sich hier den Stich abholt, darf ein Shirt mit der Aufschrift "Gemma Lugner" mit nach Hause nehmen.

700 Personen wurden im Bus geimpft.
Foto: APA

Impfbus: Nahe am Wohnort

Fatun schiebt den Kinderwagen mit ihren zwei Töchtern die Favoritenstraße entlang. An der Ecke zum Reumannplatz hält sie kurz inne. Ein Mitarbeiter des Samariterbunds wird auf die junge Frau aufmerksam: Ob sie eine Impfung möchte? Fatun zögert, schüttelt nach einem kurzen Gespräch den Kopf und will schon wieder weiter. "Ich habe ein bisschen Angst, weil meine Schwester nach der Impfung krank wurde", sagt sie. Wegen der Reaktion ihrer Schwester wolle sie lieber auf den Stich mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson verzichten. An alle über 18 Jahren wird im Impfbus der Stadt eigentlich der Vektorimpfstoff verteilt. Doch es gibt gute Nachrichten für die 29-Jährige: Der Sanitäter kommt wieder und bietet ihr einen Stich mit Biontech an. Auch diesen gibt es vor Ort, da es das einzige Vakzin ist, das von der EMA ab zwölf Jahren freigegeben wurde, wird er aber an unter 18-Jährige verabreicht.

Zwei Busse, 700 Impfungen

Seit einer Woche touren die zwei Busse durch Wien. Eine E-Card und einen Ausweis braucht man, alles andere gibt es vor Ort. Neben Fatun haben sich insgesamt rund 700 Personen in den Stationen Reumannplatz, Therme Oberlaa, U-Bahn Ottakring, Hütteldorf, Märzpark und Museumsquartier stechen lassen.

Während Fatun im Bus von einer Ärztin die Nadel gesetzt bekommt, werden ihre Kinder von den anwesenden Samariterbund-Mitarbeitern bespaßt. "Muss ich was zahlen?", fragt die junge Frau. "Nein, das ist gratis", lautet die Antwort. Nach nur wenigen Minuten ist alles vorbei. Zehn Minuten muss sie noch im hinteren Teil des Busses verweilen. Falls es zu einer Reaktion bei einem Impfling kommt, steht im Bus die ganze Notausrüstung bereit. Auch eine Trage, falls sich jemand hinlegen muss, parkt dort, wo sonst Buggys ihren Platz finden. (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, Gudrun Springer, 11.8.2021)