Eine klare Mehrheit wünscht sich, dass Geimpfte und Genesene weniger Einschränkungen unterworfen werden als Ungeimpfte.

Foto: APA/Fohringer

Linz – 57 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten fordern, dass es für Geimpfte und Genesene mehr Freiheiten beziehungsweise weniger Einschränkungen geben soll als für Menschen, die nur negativ auf das Coronavirus getestet sind. Das ergibt eine Umfrage des Linzer Market-Instituts für den STANDARD.

Dieser Umfrage zufolge deklarieren sich 76 Prozent der Wahlberechtigten als vollständig und weitere vier Prozent als teilweise geimpft. Der Unterschied zur offiziellen Zahl (62,35 waren mit Stand Mittwoch, als die Umfrage abgeschlossen wurde, tatsächlich voll immunisiert) erklärt sich aus der unterschiedlichen Datenbasis: Market zieht für seine Befragungen eine für die wahlberechtigte Bevölkerung, also Staatsbürger ab 16 Jahren, repräsentative Stichprobe – die Impfstatistik geht dagegen von allen in Österreich lebenden Personen über zwölf Jahren aus. Das ist eine um mehr als eine Million Personen größere Grundgesamtheit, in der viele bekanntermaßen schwer zu erreichende Untergruppen enthalten sind.

Von den Wahlberechtigten sagen jedenfalls 13 Prozent, dass sie keine Impfung gegen Covid wollen – der Anteil an Impfunwilligen ist unter den Frauen beinahe doppelt hoch wie unter den Männern. Zudem gibt es vier Prozent der Befragten, die auf ihre Haltung zur Impfung gar nicht antworten wollen. Umgelegt auf die Gesamtzahl der Wahlberechtigten stehen rund 830.000 Personen einer Impfung ablehnend gegenüber, eine weitere Viertelmillion ist zumindest unsicher, ob sie sich impfen lassen wird.

Sieht man sich die Daten im Detail an, dann fällt auf, dass vor allem die erklärten Anhänger der FPÖ eine hohe Impfablehnung bekunden: Mehr als jede dritte Person in dieser Gruppe will gar nicht geimpft werden. Auch jenes Viertel der Wahlberechtigten, das derzeit politisch unentschlossen ist, weist eine hohe Impfskepsis und große Unsicherheiten auf. Und: Wer eine grundsätzlich pessimistische Weltsicht hat, traut auch der Impfung weniger.

DER STANDARD ließ in dieser Umfrage zunächst erheben, welche Parteien eine "lebensnahe Politik" in Bezug auf die Pandemie betreiben und welche nicht. Dabei kommen die Grünen – die den Gesundheitsminister stellen – am besten weg: Ihnen wird von 45 Prozent eine lebensnahe Corona-Politik zugebilligt.

Am wenigsten wird den Freiheitlichen eine lebensnahe Corona-Politik zugetraut – außer von ihren eigenen Wählern, die mit klarer Mehrheit der Corona-Linie von Kickl & Co folgen. Auch jeder zweite deklariere Impfverweigerer sieht die FPÖ-Politik als lebensnah an.

Der Staat in der Verantwortung

In der nächsten Frage ging es um eine Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz, der vor einem Monat gemeint hatte, der Schutz vor dem Coronavirus werde zur Privatsache. Market fragte dazu, ohne den Kanzler zu erwähnen: "Über die Corona-Politik gibt es ja zwei Ansichten. Die einen sagen, dass die Abwehr der Pandemie jetzt Privatsache sein sollte, weil sich jeder eigenverantwortlich schützen kann. Die anderen sagen, dass die Abwehr der Pandemie eine staatliche Aufgabe bleibt und der Staat auch Regeln und Beschränkungen auferlegen soll. Welcher Meinung würden Sie eher zustimmen?"

  • Der ersten Aussage, dass also jetzt Eigenverantwortung greifen sollte, stimmen nur 31 Prozent zu. Gerade die ÖVP-Wählerschaft folgt nicht der Aussage von Kurz. Eine mehrheitliche Zustimmung gibt es dagegen von Freiheitlichen und von Impfverweigerern, unter denen sogar rund 80 Prozent zustimmen.
  • Eine weiterhin staatliche Aufgabe sehen die Impfverweigerer gerade nicht, dahinter könnte ja letztlich eine Impfpflicht stecken. In der 61 Prozent starken Gruppe, die weiterhin eine staatliche Aufgabe in der Pandemiebekämpfung sieht, gibt es ein starkes Ost-West-Gefälle, auch verlassen sich höher gebildete Befragte in diesem Punkt eher auf den Staat als auf die Einsicht der Einzelnen. Besonders auffallend ist, dass die Anhängerschaft der Regierungsparteien besonders die staatliche Verantwortung sieht.

DER STANDARD ließ weiter fragen, ob Ungeimpfte weiterhin gratis getestet werden sollen.

Knappe Mehrheit gegen Gratistests

Diese Frage spaltet die Befragten besonders, da hier die Impfpflicht auch mit angesprochen wurde. Konkret wurde gefragt: "Zu den Corona-Tests hat es ja kürzlich eine Diskussion gegeben. Die einen sagen, dass Menschen ohne Impfung gegen Covid-19 die Tests, die man zum Beispiel für den Besuch von Lokalen braucht, selbst zahlen sollen, wenn sie nicht geimpft sind. Die anderen sagen, die Tests müssen gratis bleiben, weil die Tests ja gleichwertig mit einer Impfung sind und niemand zur Impfung gedrängt werden soll. Welcher Meinung würden Sie eher zustimmen?"

  • 51 Prozent stimmten der ersten Aussage zu – sind also dafür, dass Ungeimpfte für Tests zur Kassa gebeten werden. Die stärksten Befürworter finden sich in der Wählerschaft von ÖVP und Neos.
  • 43 Prozent (darunter auch neun von zehn befragten Impfverweigerern) wollen weiter Gratistests. Mehrheiten für Gratistests gibt es bei jüngeren Befragten, wo die Durchimpfung noch nicht so hoch ist, und bei Eltern mit Schulkindern im Haushalt.

Testen weniger gut bewertet als Impfen

Schließlich wurde erhoben, ob ein negativer Corona-Test als gleichwertig mit Impfung oder Genesung betrachtet werden sollte. Dieser Ansicht folgen nur 38 Prozent; Frauen wiederum stärker als Männer, Freiheitliche und Unentschiedene stärker als Parteigänger anderer Parteien. Die eingangs erwähnte Mehrheit von 57 Prozent meint, dass es mehr Freiheiten für Geimpfte und Genesene als für bloß Getestete geben soll – besonders deutlich wird das von der ÖVP-Anhängerschaft vertreten.

Eine genauere Nachfrage ergibt folgendes Bild für die Zukunft:

Sollte es aufgrund der wieder steigenden Infektionszahlen neuerliche Beschränkungen geben, dann sind rund drei Viertel der Bevölkerung mehr (42 Prozent) oder weniger (32 Prozent) dafür, dass Geimpfte und Genesene weniger eingeschränkt werden. Auch hier dasselbe Muster wie bei anderen Fragen: In allen Parteiwählerschaften gibt es klare Mehrheiten für eine geringere Einschränkung der Geimpften – außer bei FPÖ-Wählerinnen und -Wählern. Und die Impfverweigerer wollen fast ausnahmslos, dass andere genauso beschränkt würden wie sie selbst. (Conrad Seidl, 13.8.2021)