"Freie Medien" wünschen sich PiS-Kritiker in Warschau.

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Einen solchen Tumult im Sejm, dem Abgeordnetenhaus in Warschau, hat Polen schon lange nicht mehr gesehen. Der private Nachrichtensender TVN24, den es nach dem Willen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) schon bald nicht mehr geben soll, übertrug live. "Schande! Schämt euch!", riefen Abgeordnete der Opposition, als die PiS eine verlorene Abstimmung einfach annullieren ließ. Angeblich habe es einen Formfehler gegeben, meinte sie.

Nach knapp zwei Stunden und einer weiteren Abstimmung fiel das Ergebnis zur Zufriedenheit der PiS aus. Drei Abgeordnete der rechten Opposition hatten ihre Meinung geändert. Die wutentbrannte Verachtung der Kollegen und Kolleginnen, die ihnen Käuflichkeit vorwerfen, ließen sie über sich ergehen.

Solche Szenen wird es in Zukunft wohl öfter geben, denn durch die umstrittene Novelle des Rundfunkgesetzes ist die bisherige Regierungskoalition Vereinte Rechte zerbrochen, die PiS hat ihre absolute Mehrheit verloren. Die Kleinpartei Porozumienie (Verständigung), bisher auf gemeinsamer Liste mit der PiS, war mit der Gesetzesnovelle nicht einverstanden. Diese beschränkt das Eigentum ausländischer Medienkonzerne, die nicht dem europäischen Wirtschaftsraum angehören, an polnischen Medien auf 49 Prozent. TVN, der Sender, um den es der Partei geht, gehört dem US-Konzern Discovery.

Senat muss zustimmen

Die Gesetzesnovelle, die der Sejm am Mittwoch kurz vor Mitternacht mit den Stimmen einiger Umfaller aus der Opposition verabschiedete, muss nun noch den Senat passieren. Sollte dieser Änderungswünsche haben, muss sie wieder in den Sejm.

Scharfe Kritik kommt aus Washington. Auf Twitter schreibt US-Außenminister Antony Blinken, dass das Gesetzesprojekt die Medienlandschaft in Polen beschädigen werde. Blinken verweist auch auf das bisher gute polnisch-amerikanische Investitionsklima, das enormen Schaden nehmen würde. Dann fordert er: "Wir raten Polens Regierung dringend, ihren Beitrag zu den von uns geteilten Prinzipien nicht nur in Worten zu zeigen, sondern auch in Taten." Auch die EU kritisierte Warschau, Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová sprach von einem "negativen Signal". (Gabriele Lesser aus Warschau, 12.8.2021)