Geht es nach den Grünen, würden Autos zugunsten der Lebensqualität in Innsbrucks Innenstadt künftig in den Untergrund umgeleitet.

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Innsbruck – Die Grünen haben diese Woche mit einem verkehrspolitischen Vorstoß in der Tiroler Landeshauptstadt für Diskussionen gesorgt. Am Donnerstag stellte das Team rund um Bürgermeister Georg Willi eine beim Büro für Verkehrs- und Raumplanung (BVR) in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie vor, die eine Erweiterung der autofreien Innenstadt über die Altstadt hinaus zum Thema hat. Sie basiere auf einem Anfang der 1990er-Jahre erstellten Verkehrskonzept, das die Grundlage der Innsbrucker Verkehrsorganisation bilde, und führe dieses zeitgemäß fort.

Die nun vorliegende Studie bestätige die Machbarkeit einer praktisch "autofreien Innenstadt", erklärte Willi bei der Präsentation am Donnerstag. Die Zeit sei reif dafür. Mit einer grundlegenden Umgestaltung des Park- und Verkehrssystems soll der motorisierte Individualverkehr in den Untergrund gelenkt werden. Oberirdisch würden im Gegenzug mehr Raum für Fußgänger, Radfahrer, Grünflächen und auch wertvolle Geschäftsflächen für Handel und Gastronomie geschaffen.

Platz für Menschen statt 10.000 Autos

Derzeit biete Innsbrucks Innenstadt Platz für 10.000 parkende Autos. Diese Abstellflächen wollen die Grünen in Parkgaragen verlegen. Verkehr solle künftig zu-, aber nicht mehr durchfahren, so das Ziel. Auch für Anrainer würde das Konzept Veränderungen bedeuten. Sie sollen gemäß der Machbarkeitsstudie in einem "behutsamen Prozess" über mehrere Jahre an die autofreie Innenstadt herangeführt werden. Dafür sollen neue Anwohnerparkplätze in den angrenzenden Stadtvierteln entstehen – zulasten von Kurzparkzonen. Zudem sollen die Menschen durch das Konzept dazu bewegt werden, für Fahrten ins Zentrum öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Ausnahmen werde es für bestimmte Berufsgruppen sowie Zulieferverkehr geben. Auch Taxis und Behindertenparkplätze würden berücksichtigt. Die Umgestaltung der Innenstädte sei nicht nur eine gestalterische Frage, sondern auch ein Beitrag zum Kampf gegen die Klimakrise, weil der motorisierte Verkehr nach wie vor der größte Verursacher von klimazerstörendem CO2-Ausstoß ist, argumentieren die Grünen ihren Vorstoß.

Keine Mehrheiten absehbar

Erwartungsgemäß blieben teils deutliche Reaktionen der politischen Mitbewerber nicht aus. Seit die Innsbrucker Viererkoalition mit SPÖ, ÖVP, Für Innsbruck (FI) unter grüner Führung im März dieses Jahres zerbrochen ist, herrscht das sogenannte "freie Spiel der Kräfte" im Gemeinderat. Daher müssen die Fraktionen für ihre jeweiligen Vorhaben immer wieder Mehrheiten suchen. Im Herbst sollen die Pläne zur autofreien Innenstadt im Stadtparlament Thema der Budgetverhandlungen werden. Ob die Grünen genug Stimmen für ihre Idee finden werden, darf angesichts der Reaktionen bezweifelt werden.

Die ÖVP nannte die Studie einen "unausgegorenen Wahlkampf-Gag". Sie befürchtet negative Folgen für Anwohner, die ihre Abstellplätze verlieren – sowohl im Innenstadtbereich als auch in den angrenzenden Vierteln. Für die Kaufleute, so fürchtet die ÖVP, würde die Kundenfrequenz "dramatisch einbrechen".

Zuspruch von Wirtschaftstreibenden

Eine Angst, die diese aber gar nicht zu teilen scheinen. So erklärte der Sprecher des Innsbrucker Zentrumsverein, Michael Perger, gegenüber dem ORF Tirol, dass man dem Vorschlag positiv gegenüberstehe. Stellplätze an der Oberfläche seien "nicht der kritische Erfolgsfaktor" für eine lebendige Innenstadt. Fußgängerzonen zögen zudem Kundschaft an, so Perger: "Das ist genau die Aufenthaltsqualität, von der wir immer sprechen, wo man gerne flaniert." Kritischer äußerte sich die ÖVP-dominierte Wirtschaftskammer, die sich um die ländliche Bevölkerung sorgt, die mit dem Auto anreise.

Auch FPÖ und SPÖ äußerten sich kritisch bis ablehnend zu den grünen Plänen. Die Bevölkerung werde dabei nicht mitspielen, so der Tenor. Zudem wurde von den Fraktionen wie der Alternativen Liste kritisiert, dass die Studie ein "Alleingang" der Grünen sei, der nicht mit anderen abgesprochen wurde. "Eine tragfähige Allianz für die Umwelt sieht anders aus", sagte SPÖ-Klubobmann Helmut Buchacher, der Willi Populismus vorwarf.

Vorstellung und Diskussion der Idee

Am kommenden Mittwoch, dem 18. August, wird es ab 18 Uhr im Fotoforum West die Möglichkeit für die Bevölkerung geben, die Studie genauer kennenzulernen und mit den Auftraggebern und Autoren zu diskutieren. Die Anrainer im Gebiet der möglichen autofreien Innenstadt erhalten zudem dieser Tage Informationsmaterial von den Innsbrucker Grünen zugeschickt.

Hannes Reinstaller vom BVR erklärt zu seiner Arbeit: "Unsere Studie zeigt, dass die autofreie Innsbrucker Innenstadt fachlich, verkehrs- und raumplanerisch möglich ist, wenn der politische Wille dafür vorhanden ist." Erste Schritte der Umsetzung sollen vom Adolf-Pichler-Platz und von der bestehenden Begegnungszone Meraner Straße – Wilhelm-Greil-Straße – Erler Straße aus erfolgen. Von hier aus solle eine autofreie Innsbrucker Innenstadt sukzessive wachsen. Die Finanzierung einer detaillierten Planung der großräumigen Entlastung der Innenstadt von Pkws und eine Budgetreserve für erste größere Umsetzungsschritte soll in das kommende Doppelbudget einfließen. "Die Umsetzung des gesamten Projekts ist fachlich in fünf Jahren machbar", sagt der Experte vom Planungsbüro BVR. (ars, 14.8.2021)