Fraktionsführerin Nina Tomaselli (rechts) und David Stögmüller (links) beschreiben auf 143 Seiten die Bilanz der Grünen zum U-Ausschuss.

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Abgabetermin im Parlament war bereits der vergangene Freitag, nun hat das grüne Team rund um Fraktionsführerin Nina Tomaselli auch der Öffentlichkeit seinen Bericht zum Ibiza-Untersuchungsausschuss präsentiert. Die Bilanz der Grünen über die Aufklärungsarbeit der Abgeordneten fällt dabei positiv aus: "Zu Beginn haben wir uns nicht erwartet, dass wir so viele Belege für die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis- blauen Bundesregierung finden werden. Haben wir aber."

Im Unterschied zu den Berichten der nunmehrigen Oppositionsfraktion FPÖ, aber auch der SPÖ, die sich mit hoher Priorität auf die Rolle der Kanzlerpartei ÖVP eingeschossen hatten, attestieren die Grünen beiden Partnern der 2019 geplatzten Rechtskoalition ein gemeinsames dunkles Bestreben zu "Selbstbereicherung" und zu "Postenschacher im ganz großen Stil". Sie sehen einen "türkis-blauen Plan, dessen Ziel es war, die Republik still und heimlich umzubauen. Vorbei am Parlament, vorbei an den Bedürfnissen der Bevölkerung." Obwohl die FPÖ in der Justiz kaum eine Rolle spielt, wird auch die Behinderung der Arbeit der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) durch die Oberbehörden kollektiv einem "türkis-blauen System" angelastet, das "nicht davor zurückschreckte, die Ermittlungen der Korruptionsjäger*innen zu lenken oder gar zu verunmöglichen". Dieses System sei nun aber passé, zeigen sich die Grünen erfreut. Als Erfolg des Ausschusses verbuchen sie daher etwa die Suspendierung von Justizsektionschef Christian Pilnacek.

Auch der Rückzug von Öbag-Chef und Ex-Finanzministeriums-Generalsekretär Thomas Schmid ist für die Grünen Teil der reinigenden Wirkung der parlamentarischen Kontrollarbeit. Immer wieder finden sich in ihrem Bericht Anspielungen auf Schmids legendäre Konversationen mit hochrangigen Türkisen. Nicht umsonst lautet der Titel des grünen Berichts denn auch: "Spenden, Chats und Alles, was du willst" inklusive Busserl-Emoji. Das von Schmid orchestrierte Finanzministerium sei unter Türkis-Blau – in Absprache mit dem Kanzleramt – die Drehscheibe gewesen, um die Republik im Sinne der Interessen von wohlhabenden Spendern umzubauen.

Privatisierungsprojekte

Ein besonderes Augenmerk legen die Grünen hier auf in den Akten aufgetauchte klandestine Überlegungen des Finanzministeriums zur Teilprivatisierung des republikeigenen Immobilienkonzerns Austrian Real Estate (ARE) sowie zur Teilprivatisierung des Bundesrechenzentrums (vulgo "Operation Edelstein"). Dieser Fokus ist wohl kein Zufall, zumal Grünen-Fraktionsführerin Tomaselli auch Wohnbausprecherin ihrer Partei ist und die genannten Projekte schon während der Arbeit im U-Ausschuss intensiv beleuchtet hatte. Am Dienstag präsentierte sie auch einen neuen Aktenfund, wonach die Pläne des Finanzministeriums in Sachen Bundesrechenzentrum zum Anteilsverkauf an die Post AG schon weiter gediehen waren als bisher zugegeben und sich noch über das Regierungsende hinaus bis in den Sommer 2019 erstreckten.

Naheliegender Deal Regierung/Novomatic

Wichtiger Auslöser für nahezu alle Stränge des Ibiza-Ausschusses war eine anonyme Anzeige, die die Bestellung des FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum Finanzvorstand der teilstaatlichen Casinos AG (Casag) als abgekartetes Spiel beschrieb. Im Einklang damit orten die Grünen aufgrund zahlreicher Chatnachrichten – etwa von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Novomatic-CEO Harald Neumann und Vertretern des Finanzministeriums – einen Hintergrunddeal zwischen der Novomatic und der türkis-blauen Regierung. Es sei aufgrund der Akten und Chats auch "naheliegend", dass es eine "Verbindung" der Bestellung Sidlos mit der Beförderung Schmids zum Öbag-Alleinvorstand gegeben haben müsse. Die mutmaßlich Beteiligten bestritten einen solchen Deal allerdings im U-Ausschuss.

Deutliche Kritik üben die Grünen am Agieren von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wegen dessen verschleppter Aktenlieferungen an den U-Ausschuss. "Erst durch die vereinten Kräfte von Verfassungsgerichtshof, Bundespräsident und Straflandesgericht Wien konnten ihm jene Akten, die das Innenleben des Finanzministeriums offenbaren, abgerungen werden." Daher hätten die Abgeordneten nicht alle übermittelten Unterlagen rechtzeitig sichten können, stellen die Grünen fest. Dass sie aus Koalitionsräson eine Verlängerung des Ibiza-U-Ausschusses im Nationalrat abgelehnt hatten, wird in diesem Zusammenhang allerdings nicht explizit erwähnt. (Theo Anders, Fabian Schmid, 17.8. 2021)