Yahya Abdul-Mateen als Maler, der den Candyman wiedererweckt.

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Manche Mutproben sollte man besser lassen. Fünfmal muss man Candymans Namen in einen Spiegel sagen, dann kehrt er zurück in die Welt und schlitzt mit seinem Hakenarm all jene auf, die ihn verleugnen. Der Candyman gehört zu den wenigen Horrorgestalten, die der Gewalt, die Schwarzen in Nordamerika widerfahren ist, auf drastische Art und Weise Ausdruck verliehen haben. Als Monster tritt er forsch gegen das Vergessen auf. Er personifiziert all jene, die malträtiert wurden, aber nie als Opfer gewürdigt worden sind. Ein alltagsmythisches Hirngespinst mit historischem Gewicht.

Universal Pictures

Erstmals im Kino gewütet hat der Candyman – den Namen verdankt er seiner Eigenart, Zuckerln zu verstreuen – 1992, Bernard Rose hatte die Kurzgeschichte von Clive Barker mit Virginia Madsen verfilmt. Sie verkörperte eine Soziologin, die der in den schwarzen "projects" Chicagos kursierenden Legende auf den Grund gehen will. Die Armutsviertel sind jedoch mittlerweile schicken Apartmentbauten gewichen, damit erzählte Candyman auch von Stadtentwicklung und Gentrifizierung. Mithin von einer Verdrängungspolitik, auf die die Wiederkehr des Verdrängten folgt.

Der Film war seiner Zeit thematisch voraus, so verwundert es nicht, dass der "New Black Horror", den aktuell niemand besser als Jordan Peele, der Regisseur von Get Out und Us, repräsentiert, nun daran anschließt. Der Oscar-Preisträger hat das Drehbuch mitverfasst, inszeniert hat die junge Regisseurin Nia DaCosta. Die Charaktere wurden pointiert auf die schwarze Mittelklasse aktualisiert, den Maler Anthony McCoy (Yahya Abdul-Mateen) und seine Kuratorinfreundin Brianna Cartwright (Teyonah Parris), die ins nochmals neu umgeformte Stadtviertel Cabrini-Green gezogen sind.

Sarkastischer Blick

Candyman bietet den Kennern des Originals klug ausgedachte Anknüpfungspunkte, er wird der Idee des Sequels auch dahingehend gerecht, als die Gewalt gegen Schwarze auch in Zeiten von Inklusion und Diversität nicht aus der Welt ist. Neu ist vor allem der gelungen sarkastische Fokus aufs Künstlermilieu, denn der Horror wird gleichsam durch eine künstlerische Appropriation geweckt – so ritzt der Wiedergänger bei seinem ersten Auftritt gleich einmal eine Leinwand und einen Hipstergaleristen entzwei.

DaCosta spielt zudem filmisch gewieft mit dem Spiegelmotiv. Candyman ist lange nur auf der imaginären Seite zu sehen, während seine Taten bereits blutige Auswirkungen zeitigen. Damit wird auch jene Idee erneuert, dass das Monströse immer eine aktuelle Verkörperung braucht, einen Stellvertreter. In diesem Fall den Künstler McCoy, der – ähnlich wie der gesamte Film – Candyman ganz wörtlich einen Arm reicht und damit reales Grauen wiedererweckt. (Dominik Kamalzadeh, 27.8.2021)