Archivaufnahme aus dem Jahr 2012

Foto: MOHAMED MESSARA

Ein langer Leidensweg hat ein Ende: Der algerische Ex-Staatschef Abdelaziz Bouteflika, seit Jahren schwer krank, ist Samstagnacht verstorben, mit 84 Jahren. Bouteflika war auch in den letzten Jahren seiner Amtszeit schon ein unsichtbarer Präsident gewesen. Während der letzten Jahre wurde kaum mehr versucht, den Schein zu wahren: Bouteflika war in der Öffentlichkeit nicht mehr zu sehen. 2019 musste er nach Massenprotesten seine Pläne– oder jener, die hinter ihm standen – aufgeben, noch einmal zu den Präsidentenwahlen anzutreten.

Präsidentschaft trotz Krankheit

81,5 Prozent der Stimmen hatte er bei den Präsidentenwahlen im April 2014 erhalten: ein schönes Ergebnis für einen Kandidaten, der schon damals nicht mehr gehen oder normal sprechen konnte. Bereits seit April 2013 hatten die Algerierinnen und Algier über den Zustand ihres Präsidenten gerätselt, der einen "kleinen Schlaganfall" erlitten hatte und zur Behandlung nach Paris ausgeflogen wurde. Sein Klüngel, der im Schatten regierte, ließ sich jedoch nicht davon abhalten, Bouteflika ein viertes Mal zu den Wahlen aufzustellen.

Die Behauptung, dass der Präsident genesen und im Besitz seiner Kräfte sei, war bereits im Dezember 2013 schwer erschüttert worden, als sich ein Video, das ihn mit dem französischen Premier Jean-Marc Ayrault zeigte, als aus nur einer aus verschiedenen Perspektiven aufgenommenen Bewegungssequenz zusammengeschnitten erwies: Seitdem wussten alle, dass sich Bouteflika von seinem Schlaganfall nicht erholt hatte.

Von Marokko zur FLN

Abdelaziz Bouteflika wurde 1937 nicht in Algerien, sondern in Oujda in Marokko geboren, wo er auch aufwuchs, mit vielen Geschwistern – von denen ein zwanzig Jahres später geborener Bruder, Said Bouteflika, bis zuletzt sein Arzt war. 1956 ging er nach Algerien zurück, wo er der Front de Libération Nationale (FLN) beitrat und in der Nationalen Befreiungsarmee im Unabhängigkeitskrieg kämpfte. Bouteflika stieg schnell auf, 1960 wurde er Offizier, nach Erreichen der Unabhängigkeit Algeriens wurde er 1962 zuerst Jugend- und Sportminister und schon ein Jahr später Außenminister. 1965 nahm an der Seite von Houari Boumédienne am Coup gegen Ahmed Ben Bella teil, bis zum Tod des neuen Präsidenten 1978 blieb er Außenminister.

Bouteflika rechnete sich damals bereits Chancen auf die Präsidentschaft aus – die Armee bevorzugte Chadli Bendjedid, dem eher zugetraut wurde, die zerstrittenen Lager der Partei zusammenzuführen. Nach Veruntreuungsvorwürfen, aus denen er glimpflich ausstieg, ging er ins Ausland.

Dunkles Kapitel

Als er 1987, auf Ruf der Armee, wieder zurückkam, war Algerien dabei, in die Jahre der Auseinandersetzung zwischen dem Sicherheitsapparat und den erstarkenden Islamisten einzutreten. Ein versuchter Demokratisierungsprozess endete 1992 abrupt, als sich ein Wahlsieg der Islamisten abzeichnete. Es folgte der algerische Bürgerkrieg, bei dem Bouteflika sich eher bedeckt hielt – es heißt, er habe 1994 abgelehnt, dem ermordeten Präsidenten Mohamed Boudiaf als Kandidat der Armee zu folgen. Stattdessen kam Liamine Zéroual an die Spitze des Staates, den Bouteflika 1999 beerbte.

War seine erste Wahl von Betrugsvorwürfen überschattet, so wurde sein Sieg für eine zweite Amtsperiode 2004 von niemandem mehr in Frage gestellt. Bouteflika war es gelungen, die Ausgleichspolitik, die Zéroual begonnen hatte, weiterzuführen und die algerische Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Den Legitimationsschub seiner Wiederwahl nützte er für die Lancierung einer Versöhnungs- und Dialoginitiative, die ihm viele Algerier hoch anrechneten – auch wenn es nie gelang, alle Bürgerkriegsgruppen zu integrieren.

Verfassungsänderung für Kandidatur

2009 wurde dann die Verfassung geändert, um Bouteflika eine weitere Kandidatur zu erlauben – was 2011 dazu führte, dass Bouteflika, mittlerweile zwölf Jahre im Amt, Ziel von Demonstrationen im Geiste des Arabischen Frühlings wurde. Die Proteste hoben jedoch nie wirklich ab, der Bürgerkrieg saß den Algeriern noch zu sehr in den Knochen, um sie zu neuen Abenteuern zu bewegen. Dass Bouteflika aber auch 2014 noch einmal antrat, darüber schüttelten viele nur mehr den Kopf. Gewählt wurde er trotzdem.

Als Bouteflika ankündigte, im Frühjahr 2019 für eine fünfte Amtszeit kandidieren zu wollen, waren allerdings Massenproteste mit Millionen Menschen die Folge. Das Militär entzog ihm schließlich die Unterstützung, und Bouteflika trat wenige Tage vor Ende seiner vierten Amtszeit zurück. (guha, 18.9.2021)