Typische Überschrift auf einer deutschsprachigen Verschwörungsseite.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Wenn man auf einer Website landet, die Verschwörungstheorien zu Covid-19, Impfungen, Masken und anderen Aspekten der Pandemie liefert, findet man dort oft auch "typische" Werbung. Häufig sind auf solchen Portalen etwa Banner für Goldanlagen, dubiose Krypto-Investitionsprogramme, Nahrungsergänzungsmittel oder esoterische Produkte zu finden.

Dementsprechend verwunderlich ist es, wenn zwischen Artikeln über die "neue Weltordnung", die angebliche Harmlosigkeit des Virus und ähnlichen Texten plötzlich Werbung für Produkte in Amazons Onlineshop oder neue Sportkleidung von Nike auftaucht. Sie und andere große Unternehmen werben immer wieder auf solchen Portalen.

Auch Werbung für britische Gesundheitsbehörde

Knapp 60 solcher Seiten hat das Bureau of Investigative Journalism untersucht. Auf über 30 davon wurden Dienste von Amazon – vor allem der Medikamentenversand Amazon Pharmacy – beworben. Aber nicht nur große Firmen, auch die britische Gesundheitsbehörde NHS schaltete Werbung auf dem Portal eines bekannteren Impfgegners, auf dem behauptet wurde, es sei unmöglich, sich mit einem Virus zu infizieren.

Entdeckt wurden die Einschaltungen sowohl über eine manuelle Untersuchung als auch über automatisierte Hilfsmittel. Eines davon ist Deepsee, ein Werkzeug, das Webseitenbesucher simuliert und das vom Server ausgelieferte Ergebnis analysiert. Entdeckt wurden dabei auch Werbeeinschaltungen für 30 bekannte Marken, die über Googles Werbedienst Adsense auf mindestens zwei der untersuchten Seiten eingeblendet wurden.

Viel Automatisierung, wenig Kontrolle

Dass ein Anbieter auf einer Covid-Verschwörungsseite wirbt, bedeutet, dass er zu deren Einnahmen beiträgt. Allerdings heißt es nicht, dass er das wissentlich tut. Viel mehr zeigt das Phänomen ein Problem mit dem modernen Online-Werbemarkt auf. Dieser besteht größtenteils aus Werbenetzwerken, die für ihre Kunden wertvollen Platz auf Webseiten verkaufen. Der Prozess ist komplex und beinahe vollständig automatisiert. Wer wann wie lange wem und wo auf einer Seite wirbt, wird häufig in einer Art Auktionsverfahren ermittelt.

Kontrollmechanismen gibt es wenige. Meist erfolgt nur ein oberflächlicher Check bei der Anmeldung, ein Abgleich gegen oft veraltete Datenbanken gesperrter Werber und automatische Scans der Sujets auf offensichtliche Verstöße. Dass hier leicht Werbungen für fragwürdige Angebote wie auch Werbeträger unseriöser Natur durchrutschen, ist ein starkes Indiz für die mangelnde Transparenz des Systems. Es führt auch dazu, dass auf reputablen Seiten immer wieder Einschaltungen für dubiose Produkte und Dienstleistungen auftauchen.

Unternehmen sollten stärker kontrollieren

Zu den weiteren Unternehmen, die auf Seiten mit Corona-Falschinformationen gelandet sind, gehören unter anderen Lenovo, Honda, Ted Baker oder auch die US-Bank Discover. Manche von ihnen erklärten gegenüber dem "Guardian", prüfen zu wollen, wie es zu dieser Platzierung gekommen sei, bzw. diese schon gestoppt zu haben.

Google, als einer der Werbeauslieferer, gab sich schmallippig. Man habe angemessene Maßnahmen gesetzt, um Seiten, die etwa gegen Richtlinien zu Falschinformationen verstoßen, aus Adsense zu entfernen. "Kunden und seriöse Unternehmen zu schützen, wenn sie unsere Plattformen nutzen, ist eine Priorität für uns", hieß es.

Augustine Fou, der Forschung im Bereich des Werbebetrugs betreibt, sieht derzeit nur eine Lösung. Unternehmen sollten im Sinne ihrer eigenen Reputation regelmäßig prüfen, wo im Internet ihre Anzeigen auftauchen, und Maßnahmen setzen. Man könne sich nicht einfach auf Unwissenheit herausreden.

Dass sich am Werbemarkt so schnell etwas ändern wird, glaubt er nicht. Denn dafür gibt es seiner Ansicht nach zu viele Mittelsmänner, die am aktuellen System gut mitverdienen und dementsprechend mehr Anreiz haben, es in dieser Form aufrechtzuerhalten, als für mehr Transparenz und Kontrolle zu sorgen. (gpi, 20.9.2021)