UN-Generalsekretär António Guterres eröffnete am Dienstag die UN-Vollversammlung.

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New York – Die UN-Vollversammlung in New York geht am Mittwoch in ihren zweiten Tag. Im Fokus stehen die Lage in Afghanistan und die Corona-Pandemie. Die Außenminister der G20 beraten am Rande der Generaldebatte in einer Videokonferenz über Afghanistan.

Es soll vor allem darum gehen, wie man künftig mit den Taliban umgeht, die kurz nach dem Ende des Nato-Militäreinsatzes die Macht in Afghanistan zurückerobert haben. In der G20 sind die größten Wirtschaftsmächte der Welt vereint. Zu der Gruppe gehören auch China und Russland, die – anders als alle westlichen Staaten – ihre Botschaften in Kabul nach der Machtübernahme der Taliban nicht geschlossen haben.

Taliban bitten um Redezeit

Die Taliban kündigten zuletzt an, Afghanistan auch offiziell auf der UN-Bühne vertreten zu wollen. In einem Brief des "Islamischen Emirats von Afghanistan" an UN-Generalsekretär António Guterres erbittet Taliban-Außenminister Amir Khan Muttaqi das Recht, bei der laufenden Generaldebatte zu sprechen. In dem Brief argumentieren die Taliban mit den faktischen Machtverhältnissen.

Deutschland, die USA und andere Länder sehen die Taliban nach dem Kollaps der afghanischen Armee und der Flucht von Präsident Mohammad Ashraf Ghani als Ansprechpartner und Machthaber, erkennen sie aber nicht als legitime Regierung an. Aus dem Brief des Taliban-Außenministeriums geht den Vereinten Nationen zufolge außerdem hervor, dass die Taliban den bisherigen afghanischen UN-Botschafter Ghulam Isaczai durch ihren eigenen Sprecher Suhail Shaheen ersetzen wollen. Für die Taliban wäre eine eigene Repräsentation bei den Vereinten Nationen nicht nur ein großer Schritt in Richtung internationale Anerkennung, sondern könnte auch den Zugang zu internationalen Hilfsleistungen ebnen. Ob Taliban-Außenminister Muttaqi tatsächlich in den nächsten Tagen vor der Vollversammlung auftritt, ist fraglich.

Österreichs Delegation trifft UN-Generalsekretär

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal", dass die humanitäre Hilfe, "insbesondere für Frauen und Mädchen", langfristig erfolgen müsse. "Die Taliban sind eine Organisation, die ich zutiefst ablehne." Am Dienstagnachmittag gab es in der österreichischen Vertretung bei den Vereinten Nationen einen runden Tisch zu Afghanistan. Am Mittwoch trifft Kurz gemeinsam mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) mit UN-Generalsekretär Guterres zusammen. Dabei sollen "aktuelle Fragen" erörtert werden.

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Van der Bellen sagte am Dienstagabend in der "ZiB 2", dass die Hilfe für Afghanistan nicht nur eine humanitäre Angelegenheit sei. Man müsse einen "Vertrauensverlust" des Westens insgesamt in der Region verhindern. Es gehe darum, "die Menschen in Afghanistan, die auf uns, den Westen, vertraut haben, nicht im Stich zu lassen". Insofern sei die Hilfe für Afghanistan "eine ganz nüchterne außenpolitische Überlegung", sagte der Bundespräsident auf die Frage, ob Österreich Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen solle.

Biden lädt zu Impfgipfel

Am Mittwoch um 17 Uhr lädt US-Präsident Joe Biden außerdem zu einem virtuellen Corona-Gipfel. Einer Sprecherin des Weißen Hauses zufolge soll es darum gehen, "unsere gemeinsamen Bemühungen zur Bekämpfung von Covid-19 zu erweitern und zu verstärken". Ziel sei es, Staats- und Regierungschefs mit NGOs zusammenzubringen, um sich auf eine "gemeinsame Vision zur Bekämpfung" von Corona zu einigen. Zentrales Thema bei dem Treffen ist die Verbesserung des gerechten Zugangs zu Impfstoff. Auch Corona-Tests, Behandlungsmöglichkeiten und die Verfügbarkeit von Schutzausrüstung stünden auf der Agenda.

Ein ebenfalls für Mittwoch geplantes Treffen zwischen den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland ist nach Angaben von Mitarbeitern des US-Außenministeriums abgesagt worden – aus terminlichen Gründen. Ob die Absage mit den aus dem U-Boot-Streit entstandenen diplomatischen Spannungen zwischen Frankreich und den USA zusammenhängt, wurde nicht kommentiert.

Biden strebt "keinen neuen kalten Krieg" an

Am ersten Tag der UN-Generaldebatte hatte sich Biden zu Diplomatie und internationaler Zusammenarbeit bekannt. "Wir streben keinen neuen kalten Krieg an", sagte er am Dienstag mit Blick auf die Beziehung zu China. Die Welt sei so verwoben wie nie zuvor. "Und deshalb glaube ich, dass wir zusammenarbeiten müssen wie nie zuvor." Vor den hochrangigen Vertretern aus aller Welt verteidigte er auch den US-Abzug aus Afghanistan. "Während wir diese Zeit des unerbittlichen Krieges beenden, eröffnen wir eine neue Ära der unerbittlichen Diplomatie", sagte er. Militärische Gewalt müsse lediglich als letztes Mittel genutzt werden. Biden bekräftigte das Eintreten der USA für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten sowie die Bereitschaft, zum Iran-Atomdeal zurückzukehren.

Der chinesische Präsident Xi Jinping wandte sich wenige Stunden nach Biden per Video an die UN-Vollversammlung. Auch er betonte die Wichtigkeit internationaler Zusammenarbeit. "Unterschiede und Probleme zwischen Ländern, die kaum vermeidbar sind, müssen durch Dialog und Zusammenarbeit auf der Grundlage von Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt behandelt werden", sagte Xi. Dialog und Inklusion müssten statt Konfrontation und Ausgrenzung angestrebt werden.

China stoppt Bau von Kohlekraftwerken

Beim Thema Klimawandel mahnte Xi zu mehr Anstrengungen beim Abbau von Emissionen und kündigte an: "China wird die Unterstützung anderer Entwicklungsländer bei der Entwicklung grüner und kohlenstoffarmer Energie verstärken und keine neuen Kohlekraftwerke im Ausland bauen." Einzelheiten nannte er allerdings nicht.

Chinas Ankündigung folgt auf ähnliche Schritte zur Eindämmung des Klimawandels, wie sie Südkorea und Japan schon Anfang des Jahres eingeleitet hatten. UN-Generalsekretär Guterres und der US-Klimabeauftragte John Kerry forderten China auf, dem Beispiel seiner asiatischen Partner zu folgen.

Kerry nannte Xis Ankündigung einen großartigen Beitrag: "Wir sprechen mit China schon seit geraumer Zeit über dieses Thema. Ich bin sehr erfreut zu hören, dass Präsident Xi diese wichtige Entscheidung getroffen hat."

Guterres begrüßte sowohl Chinas Schritt in Sachen Kohle als auch Bidens Versprechen, mit dem US-Kongress zusammenarbeiten zu wollen, um die Mittel zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Bewältigung des Klimawandels bis 2024 auf 11,4 Milliarden Dollar (9,7 Milliarden Euro) pro Jahr zu verdoppeln.

U-Boot-Streit wird Thema

Auch ein weiteres heißes Eisen der Weltdiplomatie, der Streit um Australiens neue U-Boot-Flotte, wird am Rande der Vollversammlung am Mittwoch angegriffen. US-Außenminister Antony Blinken und sein französischer Kollege Jean-Yves Le Drian kommen nach dem Eklat über den geplatzten Waffendeal zwischen Australien und Frankreich zu Beratungen zusammen. Bei einem Treffen der fünf Vetomächte hinter verschlossenen Türen am Rande der UN-Generaldebatte werde es die Möglichkeit geben, sich über "eine Reihe von Dingen auszutauschen", sagte eine US-Regierungsvertreterin.

Ein Gespräch der beiden Minister unter vier Augen sei aber nicht vorgesehen. Ein weiteres Ministertreffen, an dem neben Blinken und Le Drian auch der deutsche Außenminister Heiko Maas und seine britische Kollegin Liz Truss teilnehmen sollten, wurde abgesagt. Blinken wird sich stattdessen mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell treffen, der Frankreich im U-Boot-Streit am Montag die Solidarität der 26 anderen EU-Mitglieder zugesagt hat. (red, APA, Reuters, 22.9.2021)