Rechtsanwalt Michael Brunner, der Chef der neuen, in Oberösterreich erfolgreichen Antiimpfpartei MFG, sagte in einem Interview mit Österreich: "Uns geht es um die Wiederherstellung der Grund- und Freiheitsrechte auf jeder Ebene. Derzeit wird in der Politik tagtäglich nur über Corona und Einschränkungen gesprochen."

Damit erzielt die MFG (steht für "Menschen, Freiheit, Grundrechte") eine beträchtliche Resonanz unter jenen rund 20 bis 25 Prozent, die sich nicht impfen lassen wollen bzw. die Maßnahmen wie Maskentragen ablehnen.

Tatsächlich stößt man in den zahlreichen Leserreaktionen zu dem Thema sehr oft auf mehr oder minder ausformulierte Begründungen des Nichtimpfenlassens und Nichtmaskentragens und auf die Schlüsselbegriffe "Meine Freiheit" und "Meine Rechte". Ein ziemlich beträchtlicher Teil der Bevölkerung betrachtet die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie irgendwie als Freiheitsberaubung, sieht sich in seinen Grundrechten beschnitten.

Wahlplakat der impfskeptischen Liste Menschen, Freiheit, Grundrechte (MFG) in Oberösterreich.
Foto: APA/ULRIKE INNTHALER

Das ist ein nicht besonders erfreulicher Befund, denn er zeigt auch eine beträchtliche Unzufriedenheit mit der Demokratie, vielleicht nur mit der österreichischen Spielart der Demokratie, aber immerhin. Was die Grundrechte betrifft, so sind die in den österreichischen Verfassungsgesetzen über etliche Stellen verstreut und bedürften wohl einer Vereinheitlichung und möglicherweise auch Neuinterpretation.

Soziale Gerechtigkeit

Der eminente Verfassungsrechtler und frühere ÖVP-Politiker Heinrich Neisser spricht in dem Band 101 Jahre Bundesverfassung (Leykam), der zu seinem 85. Geburtstag erschienen ist, von der Notwendigkeit "einer umfassenden Reform der in Österreich geltenden Grundrechte". Diese Reform müsse sich auch mit inhaltlichen Fragen auseinandersetzen, "wie der Bedeutung und den Grenzen des Datenschutzes, dem Verhältnis von Freiheit und Sicherheit, der Wirksamkeit von Beschwerderechten, aber auch der Verankerung sozialer Grundrechte". Es gehe nicht mehr allein darum, was der Staat nicht darf, sondern auch darum, was er tun muss, um allen Menschen soziale Gerechtigkeit und ein menschenwürdiges Leben zu garantieren.

Zu Letzterem gehört auch, Maßnahmen gegen die Ausbreitung einer Seuche zu setzen. Würde man meinen. Sehr viele Impfskeptiker und Impfgegner wollen das aber nicht dulden und fühlen sich eben in ihrer Freiheit beeinträchtigt. Die neue MFG-Partei hat hier offenbar einen Punkt getroffen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass sich dort Leute tummeln, wie der Arzt Christian Fiala, der Impfung als "programmierte Selbstzerstörung des Körpers" bezeichnet und sich früher als Aids-Skeptiker hervortat. Der Kern von MFG sind allerdings eher libertäre Freiberufler, die die berufsorientierten Kammern abschaffen und statt Berufspolitikern "Experten einsetzen wollen, die der Demokratie und dem Rechtsstaat direkt und unabhängig verpflichtet sind". Letzteres klingt gut, wäre aber vermutlich wohl so eine Art Weisenrat ohne demokratische Legitimierung.

Den Wählern von MFG ist das wohl zunächst egal, sie verleihen ihrer Unzufriedenheit mit der etablierten Politik damit Ausdruck. Das ist wohl die wichtigste Botschaft, die man hier mitnehmen muss, denn es wird auch ein demokratiepolitisches Thema. (Hans Rauscher, 29.9.2021)