In den vergangenen Wochen wurde immer wieder eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal gefordert. Wie stehen Pflegekräfte dazu?

Foto: imago images/Westend61

Sie zählten zu den Ersten, die geimpft wurden: die im Gesundheitswesen Beschäftigten. Mittlerweile haben viele von ihnen den dritten Stich bekommen oder stehen kurz davor. Andere haben noch gar keine Impfung erhalten – sie wollen sich nicht impfen lassen.

In den vergangenen Wochen wurde ob der geringen Durchimpfungsrate in der Bevölkerung immer wieder eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal gefordert. Etwa von Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres oder den Patientenanwälten von Wien und Niederösterreich. In Frankreich, Italien oder Ungarn gibt es eine solche bereits. Hierzulande empfiehlt das Ministerium eine Impfung für Beschäftigte mit viel Körperkontakt zu anderen.´

Doch wie sieht das Personal selbst eine mögliche Impfpflicht? Und wie geht man damit um, wenn es im Team Impfskeptiker und -gegnerinnern gibt? Der STANDARD wollte dazu geimpfte und ungeimpfte Beschäftigte befragen. Auf einen Aufruf meldeten sich lediglich Geimpfte. Darunter die drei Pflegekräfte Nicole, Hannes und Claudio, die ihren ganzen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen wollen.

Impfpflicht – ja oder nein?

Für sie stellte sich die Frage nach der Impfung gar nicht, erzählen die drei. Gerade in dem Bereich habe man auch eine Verantwortung gegenüber den Patienten, das Risiko einer Ansteckung zu vermeiden. "Wenn man mit Kranken zu tun hat oder Menschen, die sich nicht impfen lassen können oder nur wenig Antikörper aufbauen, ist es wichtig, dass wir immunisiert sind – nicht nur gegen Covid-19", sagt Claudio.

Der 34-jährige Intensivpfleger arbeitet auf der Covid-19-Station einer Tiroler Klinik. Bereits jetzt dürfen etwa Spitäler für Neueinstellungen gewisse Impfungen vorschreiben – wie gegen Hepatitis A und B. Deshalb hält er es für sinnvoll, nicht nur für neue Arbeitskräfte, sondern auch für alle anderen eine Impfpflicht einzuführen. "Da stößt man natürlich auf viel Widerstand, aber ich verstehe nicht, wie man mit medizinischem Hintergrundwissen dagegen sein kann", sagt Claudio.

Ähnlich geht es Nicole: Die Krankenschwester auf einer Geriatriestation eines burgenländischen Krankenhauses habe viel Aufklärungsarbeit im Team geleistet. "Die Gegner kann man mit Argumenten nicht überzeugen, die Skeptiker schon. Viele sind verunsichert", sagt die 31-Jährige. Immerhin zwei Kollegen konnte sie zur Impfung bringen. Sie ist dafür, "alle Berufe, die Kundenkontakt haben, in eine Impfpflicht zu nehmen". Immerhin zeige sie Wirkung: Die meisten Infektionen der alten Patenten seien nach der Impfung sehr mild verlaufen.

Auch bei Hannes, seit dem Vorjahr Pfleger in einem Wiener Altenheim, gab es etliche Corona-Infizierte. Auch seine Stationsleiterin hatte einen stärkeren Verlauf, eine Kollegin war im Spital. Trotz der direkten Erfahrung ließen sich in seinem Team nur ein Drittel der Pflegenden impfen. Je ein weiteres Drittel sei genesen oder ungeimpft: "Oft steckt eine Trotzreaktion dahinter, auch im Hinblick auf den Corona-Bonus und die fehlende Wertschätzung." Das könne er verstehen, auch eine Impfpflicht finde er "schwierig". Angst oder ein mulmiges Gefühl bei der Arbeit habe er wegen der ungeimpften Kollegen nicht.

Keine Impfquote

Auch Nicole und Claudio sehen als einen Grund in der Impfverweigerung, dass sich viele bevormundet fühlen. Was sich aber abzeichnet: Dort, wo seitens des Arbeitgebers aufgeklärt wurde oder wie bei Claudio regelmäßige Fragestunden mit Infektiologen abgehalten werden, ist die Quote hoch. In Nicoles Team seien 85 Prozent geimpft, auf Claudios Station alle. Wie viele nichtgeimpfte Beschäftigte es im Gesundheitswesen insgesamt gibt, weiß keiner so genau. Laut Gesundheitsministerium gibt es weder eine Impfquote noch Schätzungen zum Impfstatus des Gesundheitspersonals. Auch die Ärztekammer habe keine validen Zahlen, heißt es auf Anfrage. Schätzungsweise seien 90 bis 95 Prozent der Ärzteschaft geimpft, bei den Pflegekräften sei die Quote geringer.

Rund um die erste Impfung habe es Konflikte gegeben, sagt Nicole. Manche wollten nicht mit Ungeimpften zusammenarbeiten, was sich aber gelegt habe. Hannes erzählt, dass anfangs teils verächtlich über Ungeimpfte gesprochen wurde, Streit habe es nie gegeben. "Die Geimpften halten ihre Meinung zurück, man überlegt sich dreimal, ob man einen Konflikt vom Zaun bricht."

Intensivpfleger Claudio muss sich nicht mit ungeimpften Kollegen, sondern mit ungeimpften Patienten beschäftigen: "Das ärgert mich, weil sie es in der Hand gehabt hätten, nicht beatmet zu werden, und eine Reha machen müssen. Aber die Pflege und Empathie leiden nicht darunter", betont er. Bei einer Patientin, die intubiert wurde, habe sich ein Schalter umgelegt: "Sie meinte, sie sei blöd gewesen, dass sie sich nicht habe impfen lassen." (Selina Thaler, 1.10.2021)