Intensivmediziner Christian Merhaut schreibt in seinem Gastkommentar, warum Impfskeptiker, die über angeblich noch unausgegorene Impfstoffe klagen, falsch liegen.

Als Palliativmediziner in einem Wiener Schwerpunktkrankenhaus, das vor allem in der heißen Phase der Pandemie Covid-19-Patientinnen und -Patienten zu versorgen hatte und jetzt wieder zum "Covidspital" geworden ist, bin ich es gewohnt, Menschen und auch deren Angehörige beim Sterben zu begleiten und zu unterstützen. Einfach ist das niemals, und jeder einzelne Mensch ist in dieser letzten und oft schwierigsten Phase seines Lebens unterschiedlich in seinen Bedürfnissen, Ängsten und Verarbeitungsmodalitäten.

In Österreich wird darum gerungen, dass sich mehr Menschen impfen lassen.
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Leider konnten auch in unserem Land die wenigsten an oder mit Covid-19 Verstorbenen von ihren Angehörigen und auch selten von Palliativteams begleitet werden. Sterben mussten sie allein und waren oft nur von vermummtem und überfordertem Personal umgeben. Ein würdevoller Abschied, das musste ich auch in meiner Familie erleben, war nicht möglich. Meine Kolleginnen und Kollegen wie auch ich sind außerdem täglich mit der Situation konfrontiert, Patientinnen und Patienten ihre oft dringlichen Operationen absagen oder verschieben zu müssen. Auch deswegen stimmt mich die mittlerweile eskalierende Diskussion zu Impfskepsis und Verschwörungstheorien traurig. Und sie macht mich zusehends wütend.

Immer schon mussten sich die nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin praktizierenden Ärzte mit pseudowissenschaftlichen, an Quacksalberei grenzenden Methoden herumärgern. Ob diese nun von den Patientinnen und Patienten eingefordert, ungefiltert in den immer präsenteren sozialen Medien von jedermann gepostet oder sogar von manchem Arzt angepriesen werden. Doch so schlimm wie jetzt war es noch nie.

Sogenannte Spezialisten

Das häufigste Argument von Impfskeptikern sind die angeblich noch unausgegorenen Impfstoffe, die an noch wenigen Probanden mit nur kurzen Erfahrungswerten getestet worden sein sollen. Ich frage mich, wer von den vielen in die Ferne Reisenden hat sich vor Corona über die zahlreichen empfohlenen und auch verpflichtenden Reiseschutzimpfungen, deren Nebenwirkungen oder Erprobungen so detailliert erkundigt? Mehrere Impfungen gleichzeitig im Tropeninstitut wurden für zwei Wochen Sonne, Bade- oder Erlebnisurlaub problemlos in Kauf genommen. Und die oft erheblichen Kosten trug nicht die Allgemeinheit. Die Angst vor den Stichen war auch nicht so präsent. Wer von den zahlreichen sogenannten Impfspezialisten weiß heute, dass Twinrix, ein Impfstoff gegen Hepatitis A+B, vor seiner Zulassung nur an 843 Probanden erprobt worden war? Oder ein Impfstoff gegen Cholera nur 3800-mal? Biontec-Pfizer wurde vor der angeblich zu schnellen Zulassung immerhin 44.000 gesunden Probanden verimpft!

Wenn Verschwörungstheoretiker glauben, dass man mit der Impfung einen Mikrochip implantiert bekommen soll, der der Überwachung und Lenkung der geimpften Person dient, dann fällt mir ein Albert Einstein zugesprochenes Zitat ein: Es gibt zwei mir bekannte Unendlichkeiten: das Universum und die Dummheit der Menschen. Wobei ich mir beim Universum nicht so sicher bin.

In Österreich gibt es viele seriös recherchierende Printmedien auch in elektronischer Form und Fernsehsender mit gutem journalistischem Hintergrund, wenn man die Quellen seines Wissens und der Wahrheit nicht selbst erkunden möchte. (Christian Merhaut, 6.10.2021)