Andreas Huss, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse, hat ob der geplanten Beitragssenkungen für kleinere Einkommen einige Bedenken.

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Im Juli 2022 geht es mit der sogenannten ökosozialen Steuerreform los – ein Teil davon: die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für geringere Einkommen. Konkret geht es um jenen Anteil der 7,5 Prozent, die vom Bruttolohn für die Krankenversicherung abgezogen werden, den die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bezahlen – und zwar per Einschleifregelung.

Welche Einkommen wie hoch entlastet werden sollen

Details müssen erst von den Steuerreform-Verhandlern und den sonst betroffenen Ressorts (wohl Soziales und Arbeit) fixiert werden. Das Finanzministerium übermittelte der APA am Montagnachmittag folgenden Plan: 1,7 Prozentpunkte weniger gibt es bis 1.100 Euro, 1,5 Prozentpunkte bis 1.800 Euro, 1,4 Punkte bis 1.900 Euro, 1,12 Punkte bis 2.000, ein Punkt bis 2.100, 0,8 bis 2.200, 0,6 bis 2.300, 0,4 bis 2.400 und schließlich 0,2 bis 2.500 Euro brutto.

Was der ÖGK entgeht

850 Millionen Euro würden der ÖGK durch die Beitragssenkung entgehen, das seien nicht ganz zehn Prozent der Beitragseinnahmen, "also durchaus ein erheblicher Betrag", sagte ÖGK-Chef Andreas Huss im Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch. Mit den Beitragseinnahmen hingen Regelungen in der Krankenhausfinanzierung und Gesamtverträge mit der Ärztekammer zusammen. "Insgesamt schwächt diese Maßnahme damit das Gesundheitssystem als Ganzes; mitten in einer Gesundheitskrise wohl die schlechteste Idee, die man als Regierung umsetzen kann", erklärte Huss in einer Aussendung.

Skepsis und Sorge bei ÖGK-Chef

Die Regierung plant, diesen Rückgang zu ersetzen. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bekräftige dies am Dienstagabend in der ORF-Sendung "Report" erneut: "Natürlich wird das zu 100 Prozent kompensiert." Ob das durch eine Einmalzahlung oder eine jährliche Valorisierung passieren wird, sei noch nicht klar.

Huss ist trotz der Zusage der Regierung skeptisch: "Ich bin dann davon abhängig, ob die Regierung bereit ist oder gut aufgelegt ist, diese Beiträge zur Gänze zurückzuerstatten." Weniger Beiträge würden natürlich Druck auf die Leistungen ausüben, die die Gesundheitskasse bietet.

Grundsätzlich begrüßt der ÖGK-Chef, dass niedrigere Einkommen entlastet werden. Das wäre ihm zufolge aber auch einfacher möglich gewesen, etwa durch direkte Zuschüsse.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Auch verfassungsrechtliche Bedenken äußert Huss, denn in Zukunft gebe es eine Personengruppe, die weniger Geld in die Krankenversicherung einzahlt, aber dieselben Leistungen bekommt. "Das ist eine Abkehr vom Versicherungsprinzip." Außerdem werde in die Selbstverwaltung eingegriffen, was ebenfalls bedenklich sei.

Dem Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk zufolge ist die Frage, ob es verfassungsrechtliche Probleme geben könnte, aber komplexer. Denn das Versicherungsprinzip, "das ein wesentliches und tragendes Element der öffentlichen Sozialversicherung ist", werde jetzt schon nicht vollständig durchgezogen. Funk nennt etwa das Beispiel der Mitversicherung von Angehörigen. Letzten Endes gehe es um "eine Frage des Wieviel, wie sehr schlägt das durch auf das ganze System?". Allein die Tatsache, dass etwas weggenommen wird, reicht seiner Einschätzung nach nicht aus für die von Huss befürchtete Abkehr vom Versicherungsprinzip. Der Finanzierungsausgleich durch den Bund spiele in der Beurteilung jedenfalls "eine wesentliche Rolle".

Rückendeckung bekommt Huss bezüglich verfassungsrechtlicher Probleme von Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. Laut Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dürfe es innerhalb der Risikogemeinschaft der ÖGK-Versicherten keine unterschiedlichen Beitragssätze nach Einkommen geben. Die Differenzierung zwischen Pensionisten und Aktiven sei möglich, "weil maßgebliche sachliche Gründe vorliegen", so Loacker. Gleichheitswidrig sei eine solche Beitragssenkung außerdem, "weil gleiche Einkommen ungleich behandelt werden. Jemand mit zwei Beschäftigungsverhältnissen zu je EUR 1.500 brutto würde weniger Beiträge bezahlen als eine Person mit einem Beschäftigungsverhältnis zu EUR 3.000 brutto." (Lara Hagen, 6.10.2021)