Vor einigen hundert Jahren war Neuseeland noch zum größten Teil von Wäldern bedeckt. Mit der Ankunft des Menschen hat sich das geändert.
Foto: Imago/Wojtkowski Cezary

Vor einigen Jahren entdeckten Forscher des Desert Research Institute in den USA bei Untersuchungen von Eisbohrkern von der antarktischen Halbinsel ein merkwürdiges Signal: Um das Jahr 1300 begann der Anteil von Ruß in der Atmosphäre offenbar deutlich anzusteigen. Woher dieser stammen könnte war zunächst unklar, nachdem sich aber just zu dieser Zeit die Erstbesiedelung Neuseelands durch die Māori vollzogen hatte, vermuteten die Wissenschafter einen Zusammenhang. Das Abbrennen der Wälder Neuseelands durch die neuen menschlichen Bewohner könnte für die Ruß-Ablagerungen verantwortlich sein – beweisen ließ sich das aber erstmal nicht.

Neues Modell

Mithilfe eines von Wiener und norwegischen Forschern entwickelten Modells konnte nun jedoch der Weg der Rußpartikel durch die Atmosphäre rekonstruiert werden. Das von Andreas Stohl vom Department für Meteorologie and Geophysik der Universität Wien und Kollegen am Norwegischen Institut für Luftforschung (NILU) erarbeitete Computermodell erlaubt es, den atmosphärischen Transport von historischen Emissionen, die man etwa in Eisbohrkernen nachweisen kann, zu nachzuvollziehen.

"Rückwärtsrechnungen mit unserem Transportmodell von allen diesen Eisbohrkernen zeigten, dass die Ruß-Ablagerungen auf der antarktischen Halbinsel bei gleichzeitigem Fehlen solcher Ablagerungen in der Ostantarktis nur mit Ruß-Emissionen in Patagonien, Tasmanien und Neuseeland erklärbar sind", erklärte Stohl. Weiter nördlich gelegene Regionen in Afrika, Australien oder etwa dem Amazonas konnten die Wissenschafter ausschließen. Würde der Ruß von dort stammen, gäbe es in der Ostantarktis ähnliche Ablagerungen wie auf der antarktischen Halbinsel.

Die Analyse von Eisbohrkernen aus der Antarktis wies auf rund 700 Jahre alte Rußablagerungen hin.
Foto: Joe McConnell

Kein Zufall

In ihrem Modell gehen die Forscher davon aus, dass sich die Transportklimatologie vor rund 700 Jahren nicht wesentlich von der heutigen unterscheidet. Das sehe man etwa auch daran, dass sich die Niederschlagsverhältnisse in der Antarktis nur wenig geändert haben. "Kleinere Unterschiede würden die Resultate aber kaum beeinflussen, und eine massive Umstellung der Zirkulationsmuster ist auszuschließen", erklärte Stohl.

Eine Analyse von Sedimenten aus Seen in Patagonien, Tasmanien und Neuseeland wies schließlich nur in Neuseeland einen Anstieg von Holzkohle-Ablagerungen vor 700 Jahren nach. Das zeitliche Zusammentreffen der Besiedelung Neuseelands durch die Māori und der Anstieg der Ruß-Konzentrationen auf der 6.000 Kilometer davon entfernten antarktischen Halbinsel war also kein Zufall.

"Eisbohrkernaufzeichnungen sind sehr wichtig, um mehr über die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt in der Vergangenheit zu erfahren", sagt Joe McConnell vom Desert Research Institute in Reno (US-Bundesstaat Nevada), Hauptautor der "Nature"-Publikation und verantwortlich für die Messungen im Eisbohrkern. "Selbst die entlegensten Teile der Erde waren in vorindustriellen Zeiten nicht unbedingt unberührt."

Die Datierung der Rußablagerungen fällt zeitlich mit der vermuteten Ankunft der Māori in Neuseeland zusammen.
Grafik: Stohl et al. after McConnell et al.

Perfektes Abbild der historischen Atmosphäre

Eiskerne hätten den unschätzbaren Vorteil, dass sie sehr genau zu datieren und weit weg von lokalen Quellen möglicher Verunreinigungen seien, ergänzt Johannes Freitag, Mitautor der Studie und verantwortlich für die Eiskernbohrungen des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) Bremerhaven: "So zeichnen sie ein nahezu perfektes Abbild der Atmosphäre der Vergangenheit auch über weite Distanzen nach."

"Die Idee, dass Menschen bereits vor 700 Jahren eine deutliche Änderung in den atmosphärischen Ruß-Konzentrationen durch Abbrennen der Wälder verursacht haben, ist sehr überraschend", sagt McConnell. Für die Wissenschafter liefert die Studie neue Beweise dafür, dass menschliche Aktivitäten die Erdatmosphäre und möglicherweise auch das Klima viel früher und in weitaus größerem Maßstab beeinflusst haben als bisher angenommen.

Waldbrände für Landwirtschaftsflächen

Die Ergebnisse erlauben den Forschern zufolge zudem genauere Schlüsse über den Zeitpunkt der Ankunft der Māori im zuvor unbesiedelten Neuseeland. Die durch die Eiskern-Analyse ermöglichte genauere Datierung zeigt den Beginn der großflächigen Waldbrände etwa um 1297, mit einem Unsicherheitszeitraum von etwa 30 Jahren. Die Brände wurden gelegt, um landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen, erklärte Stohl. Vor der Besiedelung durch die Māori sei Neuseeland fast durchgehend (rund 80 Prozent) von Urwald bedeckt gewesen, heute seien es weniger als 25 Prozent. (red, APA, 9.10.2021)