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"Auch selbst führt man sich wie der Elefant im Porzellanladen auf, trampelt über andere drüber."

Foto: AP Photo/Andrea Comas

"Wenn Jesus wieder auf die Welt gekommen ist, dann ist er jetzt mein Automechaniker", sagt meine Freundin K. "Sie sind nicht schuld", betont dieser bei jedem Vergaser- oder Zündkerzenproblem, "Sie haben alles richtig gemacht." Wie oft, fragt mich K., bekommt man solche Sätze zu hören? "Sobald man erwachsen ist, gibt einem niemand mehr das Gefühl, im vollen Umfang okay zu sein."

Ich bin okay, du bist okay

Viele von uns begeben sich in Therapie, oft über Jahre, um endlich glaubhaft vermittelt zu bekommen, ein wertvoller, liebenswerter Mensch zu sein. Wertvoll, ohne Wenn und Aber. Liebenswert, genau so, wie man ist. Das klingt nach einem Kalenderspruch wie "Das Auge isst mit" oder "Bewegung ist der beste Arzt".

Verkneifen wir uns das süffisante Lächeln: Akzeptanz, bei sich selbst und bei anderen – ist das nicht der Dreh- und Angelpunkt unserer Existenz? Darum ging’s bei Antigone. Und darum geht’s heute bei Billie Eilish.

Vorsicht, Freundschaft

Respekt vor dem Körper des anderen, Respekt vor dessen Lebensentscheidungen. Dieser wohlwollende Blick ist Mangelware, auch unter besten Freunden: Weggefährtinnen raten einem, drei Kilo abzunehmen ("Dann ist auch dein Doppelkinn wieder weg"). Freunde ignorieren die Bitte um Themenvermeidung ("Keine News mehr über das Liebesleben meiner Ex, das ist ungesund für mich").

Auch selbst führt man sich wie der Elefant im Porzellanladen auf, trampelt über andere drüber. Setzt Grenzen in einer so verletzenden Tonlage, dass man es später jahrelang bereut.

Lernen von Sally Rooney

Vertreter der Generation Z führen uns vor, wie all das behutsamer geht. Etwa die irische Bestsellerautorin Sally Rooney: In ihren unterhaltsamen Romanen zeigen sich Freunde und Liebespartner, wie sie wirklich sind. Sprechen über Gefühle, sagen, was sie verletzt, wo ihre Grenzen sind. Und am anderen Ende der Stadt, einer Küche, eines Betts ist jemand, der diese seelischen Schiffsmeldungen ernst nimmt.

Dass es Handlungsbedarf gibt, ist mittlerweile sogar im Literaturklub des Modehauses Chanel angekommen. Anhand eines Essays von Virginia Woolf wurde dort über den toxischen Reflex nachgedacht, uns gegenseitig permanent zu bewerten und abzuwerten.

Sozialkritische Geister werden das belächeln. Es könnte uns aber auch optimistisch stimmen: Die dringende Revision unserer intellektuellen, kreativen und emotionalen Symbiosen ist mittlerweile in allen Gesellschaftsschichten angekommen. (Ela Angerer, RONDO, 25.10.2021)