Die Bundesländer machen ihre eigenen Corona-Regeln, Demonstranten protestieren – wie zuletzt in Wien – gegen alle Maßnahmen.

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Österreichs Corona-Politik bleibt ein Stückwerk. Einige Bundesländer gehen eigene Wege und verordnen strengere Regeln. Pandemieexperten kritisieren die Verwirrung, die dadurch entsteht, und verlangen – etwa für die Nachtgastro – österreichweit einheitliche Regelungen.

Es hat sich wenig verändert seit Beginn der Pandemie: Die Bundesregierung erarbeitet einen Plan zur Eindämmung einer weiteren Verbreitung der Coronaviren, die Bundesländer reagieren mit eigenen Maßnahmenpaketen. Österreichs Covid-19-Politik bleibt ein Patchwork, ein bundesweites Flickwerk.

Das erste Bundesland, das jüngst ausgeschert ist, ist Wien. Hier hat Bürgermeister Michael Ludwig im Alleingang schärfere Einschränkungen umgesetzt. Ihm waren die Vorgaben des Bundes im Rahmen eines Stufenplanes ganz offensichtlich nicht weitreichend genug. Die verordnete flächendeckende FFP2-Maskenpflicht im gesamten Handel und die 2G-Regel in der Nachgastronomie – also genesen oder geimpft – scheinen nun tatsächlich zu einer deutlichen Entspannung der Situation geführt zu haben. Wien ist heute das Bundesland mit der geringsten Inzidenzzahl.

Reagiert hat jetzt auch die Steiermark. Dort orientiert man sich nun am Wiener Modell. Hier soll am 8. November ebenfalls im Handel flächendeckend quer durch die Branchen eine FFP2-Maskenpflicht wiedereingeführt werden. Und auch die Zugänge zur Nachtgastronomie werden mit der 2G-Regel verschärft.

ÖVP-Interna

Wobei hier in der Steiermark auch ein politisches Hintergrundgeräusch mitschwingen mag. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hat sich in den letzten Wochen deutlich von der Wiener Bundespartei um Sebastian Kurz distanziert. Das mag auch daran liegen, dass die Chemie zwischen beiden schon länger nicht mehr stimmen dürfte. Kurz hatte Schützenhöfer ausrichten lassen, dass er im Frühjahr den Landeshauptmannposten an Landesrat Christopher Drexler, der mittlerweile mit der stellvertretenden Kabinettschefin von Minister Gernot Blümel verheiratet ist, übergeben soll. Etwas, das im steirischen Landeshauptmannbüro so gar nicht gut ankam. Diese Missstimmung mag nun ein wenig bei der Entscheidung, das Wiener SPÖ-Modell zu übernehmen, mitgewirkt haben.

Ähnlich wie Wien und die Steiermark steigen jetzt aber auch die westlichen ÖVP-geführten Bundesländer auf die Bremse. In Oberösterreich werden ab Freitag wie angekündigt die Corona-Maßnahmen wegen der hohen Infektionszahlen ebenfalls verschärft. Auch gilt wieder überall die FFP2-Masken-Pflicht.

Das angrenzende Salzburg ist seit Wochen unter den Bundesländern, die die höchste Inzidenz aufweisen. Daher hat das Land bereits am 18. Oktober die FFP2-Maske im Handel, beim Friseur oder im Museum wiedereingeführt. In der Nachtgastro bleibt aber noch alles beim Alten.

In einer eigenen Liga agiert das Burgenland, dessen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, schon immer autonom agiert hat. Hier stehen die Zeichen auf Öffnung. Trotz steigender Infektionszahlen. Das Burgenland verfolgt eine forcierte Zuckerbrot-, aber im Hintergrund auch eine recht deutliche Peitschenstrategie. Einerseits haben die Bezirkshauptmannschaften begonnen, die Kontrolltätigkeit in der Gastronomie zu verstärken.

Impflotterie

Andererseits veranstaltet das Burgenland eine Impflotterie, bei der man unter anderem E-Fahrräder und Autos gewinnen kann. Voraussetzung dafür ist, sagt SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, dass bis zum Landesfeiertag am 11. November 80 Prozent der Burgenländer und Burgenländerinnen geimpft sind. Am Donnerstagvormittag fehlten noch 1400 Personen. Für den Fall, dass diese sich bis zu Martini impfen lassen, verspricht Doskozil, sich vehement für weitgehende Lockerungen einzusetzen. Im Süden, in Kärnten, will man die weitere Entwicklung abwarten. "Wir sind in Beobachterposition", sagt Landesregierungssprecher Gerd Kurath.

Die momentane Lage sei stabil, es gebe noch keinen Anlass für Verschärfungen, man sei aber hellwach. In Vorarlberg und Tirol sind aktuell ebenso keine weiteren Einschränkungen geplant. Und auch in Niederösterreich bestehen momentan – wie es heißt – keine Verordnungen, die neben den bundesweiten Vorgaben zusätzliche regionale Schutzmaßnahmen vorsehen". Man hält sich an den Stufenplan.

Experten wollen klare Regeln

Dass in Österreich weiter eine Fleckerlteppichpolitik betrieben wird, ist für den Infektiologen Herwig Kollaritsch "einerseits" nachvollziehbar. Jedes Bundesland habe unterschiedliche Voraussetzungen, Strukturen und Bedingungen, auf die reagiert werden müsse. Wien könne eben nicht mit Kärnten oder Vorarlberg verglichen werden. Es sei aber "nicht nachvollziehbar", warum es etwa in der Nachtgastronomie keine bundesweit einheitliche Regelung gebe: "Die Bars sind je Bundesland unterschiedlich offen, das versteht doch kein Mensch, das Setting ist doch überall gleich."

Und auch im Handel sollten zum Beispiel in den großen Einkaufszentren überall die gleichen Regen gelten. Auch der Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter kritisiert diese Verwirrung, auch wenn er Verständnis für regionale Unterschiedlichkeiten hat. "Es ist einfach wichtig, dass in den Regeln eine gewisse Kontinuität hergestellt wird. Bei den Öffis ist das ja gelungen", sagt Hutter. In der Nachtgastronomie sollte umgehend eine einheitliche Regulierung eingeführt werden", verlangt auch Hutter. "Da darf man jetzt nicht warten, bis es nach dem Stufenplan zu Überschreitungen kommt. Da sollen alle Länder sagen: Das machen wir jetzt und sofort." (Walter Müller, Stefanie Ruep, Wolfgang Weisgram, 28.10.2021)