Sechs Astronauten simulierten in den vergangenen vier Wochen in der israelischen Negev-Wüste eine Marsmission.

Foto: AFP / Jack Guez

Wenn Robert Wild am Mittwoch aus dem Urlaub zurückkehrt, werden die Arbeitskollegen viele Fragen haben: wie es auf dem Mars gewesen sei, wie es sich jetzt anfühle, wieder zurück auf der Erde.

Der 39-jährige Astrophysiker an der Universität Innsbruck ist in seiner Freizeit Astronaut. Ein Hobby ist das nicht, eher ein unbezahlter Job, dem strenge Auslese und ein jahrelanges Training vorangehen. Die vergangenen knapp vier Wochen hat Wild auf einer simulierten Marsstation in der israelischen Wüste verbracht, gemeinsam mit fünf Co-Astronauten aus Deutschland, Israel, Portugal, Spanien und den Niederlanden.

Hier, im Inneren des riesigen Wüstenkraters Machtesch Ramon, ist der Sand rot gefärbt, auch sonst ähnelt das Gelände in vielerlei Hinsicht dem, was man auf Basis des aktuellen Forschungsstands vom Mars weiß: "Was die Sedimentstruktur und spezifische Hügelformen betrifft, ist diese Landschaft quasi ein Mars-Zwilling", sagt Gernot Grömer, Direktor des Österreichischen Weltraumforums (ÖWF). Das ÖWF hat die vierwöchige Mission vorbereitet, unterstützt wurde sie unter anderem von der israelischen Raumfahrtagentur und der europäischen Raumfahrtbehörde Esa, zu deren Budget auch Österreichs Klimaschutzministerium beiträgt.

Extreme Umgebung

Im Ramon-Krater herrscht – abgesehen von ein paar Militärflugzeugen – absolute Stille. Licht und Temperatur unterliegen je nach Tages- und Nachtzeit extremen Schwankungen. Gernot Grömer hat vier Jahre lang auf die vierwöchige Mission hingearbeitet. Was auch an der Pandemie lag: Eigentlich hätte die Mission im Vorjahr stattfinden sollen – daher der Name Amadee-20.

Am vergangenen Sonntag war es im Wüstenkrater so weit: Die Raumstation, in der die Astronauten streng isoliert von der Außenwelt auf engstem Raum zusammenlebten, öffnete sich. Blinzelnd traten die Insassen heraus, manche wirkten etwas verunsichert, sich nach Wochen der Sechssamkeit einer Menge an Wissenschaftern und Pressevertretern ausgeliefert zu sehen. Froh sei er dennoch, im Freien zu sein, sagt der portugiesische Astronaut João Lousada. "Wieder den Wind im Gesicht zu spüren ist etwas ganz Besonderes."

Amadee-20 widmete sich ganz spezifischen Forschungsfragen, die von Einrichtungen in mehr als zwanzig Ländern gestellt wurden. Für die darin involvierten 210 Wissenschafter und Wissenschafterinnen waren die wochenlang isolierten sechs Astronauten "die zwölf Augen und Hände", wie der spanische Astronaut Iñigo Muñoz formuliert. Jeder Tag war streng durchgetaktet, zuvor monatelang einstudierte Experimentabläufe wurden in der Raumstation – und im Außenbereich per Raumanzug – durchgeführt.

Psyche im Vergrößerungsglas

Da ging es einerseits um die Frage, wie belastbar die Raumanzüge sind und wie sich das technische Equipment im Gelände schlägt. Dazu zählten auch österreichische Forschungsprojekte: So widmet sich ein Projekt der Universität Graz der Geodatenverarbeitung des Marsrovers, der sich auf Basis des von der Marsdrohne erkundeten Kartenmaterials durchs Gelände bewegt.

Die Marsdrohne wiederum folgt demselben Algorithmus wie die beim Nasa-Rover Perseverance eingesetzte Drohne Ingenuity. Dank einer persönlichen Überschneidung: Stephan Weiss vom Institut für Intelligente Systemtechnologien der Universität Klagenfurt war auch im Entwicklerteam der Nasa dabei.

Ein Fokus lag auf der Dynamik im Team und psychologischen Faktoren. "Isolation ist ein Vergrößerungsglas der menschlichen Psyche, da wachsen Problemchen schnell zu Problemen heran", sagt Gernot Grömer.

Es gehe also bei der Marssimulation auch im zwischenmenschlichen Bereich darum, "möglichst früh möglichst schnell und billig Fehler zu machen", sagt Grömer: "Den Fehler, den wir jetzt machen, machen wir auf dem Mars dann hoffentlich nicht mehr." Dort könnten Reibungen nicht nur jahrelang vorbereitete Experimente zum Scheitern bringen, sondern für die Astronauten lebensgefährlich sein.

Tag war durchgetaktet

Das Innere der Raumkapsel ist spartanisch eingerichtet. Geschlafen wurde in winzigen Pressholzkajüten, aufgestanden wurde oft vor Tagesanbruch, gegessen wurde Dosen- und Päckchenessen. Ein Sack Proteinshake-Trockenmischung in Katzenfutter-Maxigröße steht noch halbvoll im Regal. "Manchmal brachen wir einfach nur in Gelächter aus darüber, wie schlecht das Essen schmeckte", sagt Robert Wild.

Viel Zeit, um von Lieblingsspeisen zu träumen, gab es ohnehin nicht. Der Tag war von früh bis abends durchgetaktet. "Es war extrem abwechslungsreich, wir waren ständig beschäftigt", sagt die deutsche Astronautin Anika Mehlis. Aufwendig waren die Außenübungen in den Raumanzügen: "Allein fürs Anziehen brauchten wir zwei Stunden, fürs Ablegen 45 Minuten", sagt Mehlis.

Hohe kognitive Grundlast

Per Chat waren die Astronauten in Kontakt mit der Bodenstation in Innsbruck. Wobei sich die Kommunikation als größte Herausforderung erwies: Es gab jeweils zehn Minuten Übertragungsverzögerung, ständig liefen verschiedene Kommunikationsstränge parallel. "Es ist wie in einem Whatsapp-Chat mit zehn Freundeskreisen, wo man versucht, 17 verschiedene Wochenendaktivitäten gleichzeitig abzusprechen", sagt Grömer. "Die kognitive Grundlast ist eine sehr hohe, das sieht man auch am Kalorienverbrauch."

Mit dem Ende der Mission beginnt für die Forschungsteams die Ausarbeitungsphase. Im Mai werden auf einer Konferenz erste Ergebnisse präsentiert.

Auf den Einwand, man solle sich doch erst um die Probleme des Planeten Erde kümmern, bevor an andere Planeten gedacht werde, hat Grömer eine klare Antwort: "Das eine schließt das andere nicht aus." Im Gegenteil: "Es waren Forschungsergebnisse der Venus, die unsere Klimadebatte vor dreißig Jahren erst ausgelöst haben." (Maria Sterkl aus Jerusalem, 3.11.2021)