Der Fruchsäftehersteller Rauch wollte ein größeres Betriebsgelände, die Ludescherinnen und Ludescher stimmten über die Umwidmung von landwirtschaftlicher Fläche dafür ab – und lehnten die Erweiterung ab. Kurz darauf wurde die Abstimmung angefochten und landete beim Verfassungsgerichtshof, der sie im Oktober 2020 für nichtig erklärte.

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Ein Jahr ist es nun her, dass der Verfassungsgerichtshof eine Volksabstimmung in der Vorarlberger Gemeinde Ludesch für nichtig erklärte, aber das Urteil sorgt immer noch für Kontroversen und weitere Entwicklungen: So wird am Donnerstag im Verfassungsausschuss des Nationalrats über Änderungen im Volksabstimmungsgesetz beraten.

Über ein sogenanntes Minderheitenverlangen – ein sehr seltener Vorgang im parlamentarischen Tagesgeschäft – haben die Vorarlberger Abgeordneten Reinhold Einwallner (SPÖ), Gerald Loacker (Neos) und Reinhard Bösch (FPÖ) erreicht, dass über einen von ihnen eingebrachten Antrag abgestimmt werden muss; eine Vertagung ist nicht möglich. Die drei Abgeordneten fordern die türkis-grüne Regierung auf, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Volksabstimmungen zu ändern.

Was die Opposition fordert und warum

Im Ludescher Fall – wo es um eine Flächenumwidmung von 6,5 Hektar landwirtschaftlicher Fläche zur Expansion des Fruchtsäfteherstellers Rauch ging; die Bevölkerung lehnte das in der Abstimmung ab, dann wurde diese angefochten – wurde nicht nur die Abstimmung für nichtig, sondern es wurden auch Teile des Vorarlberger Gemeindegesetzes und des Landesvolksabstimmungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt. Eine Gemeindevertretung könne nicht gegen ihren Willen durch eine Volksabstimmung an eine bestimmte Entscheidung gebunden werden, begründete das Gericht.

Der Fall ist aber über die Bundeslandgrenzen hinaus relevant: In der Steiermark gibt es eine ähnliche Bestimmung.

Regierung mit eigenem Plan

Türkis und Grün dürften dem Oppositionsantrag aber nicht zustimmen. Stattdessen bringt die Regierung einen eigenen Antrag "betreffend Länder-Dialog zu direkter Demokratie auf Gemeindeebene" ein. Darin wird Verfassungsministerin Karoline Edtstadler ersucht, "zu ergründen, inwieweit Änderungen der bundesverfassungsgesetzlichen Rahmenbedingungen aufgrund regionaler Bedürfnisse angezeigt sind". Danach soll dem Ausschuss darüber berichtet werden.

Gerald Loacker, der den ursprünglichen Antrag mit seinen zwei Landsmännern einbrachte, hält den Vorschlag für "lächerlich". Die Ministerin habe bereits genug Zeit gehabt, die Länder nach ihrer Meinung zu fragen. "In einer Demokratie ist die Meinung der Bürgerinnen und Bürger ausschlaggebend. Das ist die Lösung, während ÖVP und Grüne hier das Problem sehen", so der Neos-Abgeordnete.

"Reparatur" als Übergang in Vorarlberg geplant

Dass der eigene Antrag nicht angenommen werde, sei zu akzeptieren. Aber es sei auch bereits ein Erfolg, dass sich die Regierung der Debatte stellen müsse und erklären müsse, "dass sie das, was Vorarlbergern wichtig ist, nicht wollen".

Im Ländle wird einstweilen an einer Übergangslösung gearbeitet. Im Rechtsausschusses des Landtags werden am 10. November ein Antrag der Opposition und ein Gegenvorschlag der Regierungsparteien diskutiert. Die dort diskutierten Vorschläge sehen vor, dass die Gemeindevertretung der Durchführung einer Volksabstimmung zustimmen muss. Bei Ablehnung soll eine unverbindliche Volksbefragung stattfinden. "In Vorarlberg sind die Oppositionsparteien mit einem eigenen Vorschlag vorgeprescht, um das VfGh-Urteil abzufedern, und haben die schwarz-grüne Landesregierung zum Handeln gezwungen", sagt Johannes Gasser, der für die Neos im Landtag sitzt. Es sei allerdings "klar, dass diese Reparatur nur eine Zwischenlösung bis zu einer Änderung der Bundesverfassung ist". (Lara Hagen, 4.11.2021)