Journalistin und Podcasterin Mari Lang: "Ich mutierte im Lockdown zu einer 50er-Jahre-Hausfrau."

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STANDARD: Kürzlich ist Ihr Buch "Frauenfragen. Männer antworten" erschienen. Es basiert auf Ihrem gleichnamigen Podcast, den Sie während des Corona-Lockdowns entwickelt haben. Sie stellen darin Promi-Männern, darunter Armin Assinger, Dirk Stermann und Richard Lugner, die berühmten Rote-Teppich-Fragen, die normalerweise nur an Frauen gerichtet werden – etwa jene, wie es gelingen kann, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Sie selbst sind ORF-Moderatorin und Mutter zweier Kinder. Unter welchen Bedingungen ist dieses Buch entstanden?

Mari Lang: (lacht) Ich habe es an Wochenenden und in der Nacht geschrieben. Die Euphorie am Anfang war groß, denn es war immer mein Traum, ein Buch zu schreiben. Zwei Monate habe ich recht gut durchgehalten, aber am Ende war es dann sehr schwierig. Um Ihre Frage gleich noch in einen größeren Kontext zu stellen: Als Frau ist es generell hart, Kinder und Beruf zu vereinbaren, weil Kinder immer noch Frauensache sind. Karriere zu machen ist dann im Grunde eine einzige Zerreißprobe und nur mit Nachtschichten und groben Abstrichen möglich. Ich habe das auch in meinem Nachwort thematisiert. Meine kleine Tochter (4,5 Jahre) sagte sogar: "Ich möchte, dass du nie wieder arbeitest. Du sollst nie wieder ein Buch schreiben."

STANDARD: Die emotionale Beziehung zu Ihren Kindern ist mit diesem Buchprojekt, das viel Zeit in Anspruch genommen hat, ins Wanken geraten?

Lang: Ja, kurzfristig schon, und auch mein Körper hat mir aufgezeigt, dass ich aus dem Gleichgewicht geraten bin. Ich bin nicht Wonder Woman. Niemand ist das, und trotzdem versuchen vor allem wir Frauen immer wieder Superkräfte zu entwickeln und über unsere Grenzen zu gehen. In der Arbeitswelt wird das ja auch verlangt. 120 Prozent geben, seinen Mann stehen, immer verfügbar sein! Aber was bedeutet das für Menschen mit Kindern? Ich will weder nur zu Hause bei meinen Kindern sein, noch will ich wie in den vergangenen Monaten rund um die Uhr arbeiten und meine Familie nie sehen. Für einen Großteil der Männer ist genau das immer noch Realität, und trotzdem kommen sie nicht auf die Idee, mehr Zeit für ihre Vaterrolle einzufordern. Das finde ich erschütternd.

STANDARD: Sie sagen also, dass ein klassischer Vollzeitjob nicht mehr den Bedürfnissen einer modernen Arbeitswelt entspricht?

Lang: Ich denke, es entspricht nicht den Bedürfnissen von Menschen mit Kindern! Durch die Arbeit an meinem Buch und die Interviews mit den unterschiedlichsten Männern habe ich begonnen, vor allem über Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt nachzudenken. Weil da immer noch mit so unterschiedlichem Maß gemessen wird. Warum sind Kinder in der Berufswelt immer noch ein Nachteil, wenn sie doch für so viele zum Leben dazugehören? Warum sind Mütter und Väter im Arbeitsleben nicht sichtbarer? Diesbezüglich gibt es noch verdammt viel zu tun.

STANDARD: Wie ist die Idee entstanden, Männer mit stereotypen Frauenfragen zu konfrontieren und einen Podcast daraus zu machen?

Lang: Die Idee zu diesem Podcast ist aus einem riesigen Frust entstanden, weil ich im ersten Lockdown in Kurzarbeit war. Ich habe einmal mehr festgestellt, dass es mich absolut nicht erfüllt, nur mit den Kindern zu Hause zu sein. Als ich vor acht Jahren zum ersten Mal Mutter wurde, ist mir aufgefallen, dass man als Frau ab diesem Zeitpunkt nur noch in Zusammenhang mit dem Kind gesehen wird.

STANDARD: Als Mutter wahrgenommen zu werden ist ein Problem?

Lang: Ja, Mütter werden in der Arbeitswelt als Belastung gesehen, weil man nicht mehr uneingeschränkt einsetzbar ist. Oft wird einem unterstellt, man würde sich nur noch für das Kind interessieren. Als ich im ersten Lockdown in Kurzarbeit geschickt wurde, entstand in mir eine große Unsicherheit. Ich mutierte für Wochen zu einer 50er-Jahre-Hausfrau, habe dreimal am Tag gekocht, Kuchen gebacken, Essenslisten zusammengestellt und darüber nachgedacht, eine Vorratskammer anzulegen. Mein Mann ist in seinem Zimmer gesessen und hat gearbeitet.

STANDARD: Wie konnten Sie sich aus diesem Dilemma wieder befreien?

Lang: Indem ich meinen Frust kanalisiert und ihn in etwas Sinnvolles umgewandelt habe: den Frauenfragen-Podcast. Ich wollte einfach Männer in eine ähnliche Situation bringen, in der sich Frauen so oft wiederfinden – dass man sie auf ihr Aussehen und Oberflächlichkeiten reduziert und sie vor allem als Hausfrau und Mutter sieht. Gleichzeitig wollte ich auch meine verinnerlichten Rollenbilder hinterfragen, mich mit ihnen konfrontieren.

STANDARD: Die prominenten Männer, die in Ihrem Studio Platz genommen haben, kommen aus unterschiedlichen Bereichen. Sie haben etwa mit "Millionenshow"-Moderator Armin Assinger gesprochen, dem ehemaligen SPÖ-Politiker Christian Kern, dem Kabarettisten Dirk Stermann, auch mit Reality-TV-Star und Bauunternehmer Richard Lugner. Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Gäste ausgewählt?

Lang: Ich habe am Anfang pragmatisch ausgewählt, geschaut, zu wem ich Kontakt habe. Ich wollte nicht einfach jemanden anrufen, mit dem ich noch nie gesprochen habe. Andreas Goldberger und Herbert Prohaska kannte ich über die Sportredaktion, Armin Assinger habe ich bei der Promi-Millionenshow kennengelernt, und Christian Kern habe ich schon mal bei einer Veranstaltung interviewt. Es war sicher ein Vorteil, dass meine Interviewpartner mich kannten und auch wussten, wofür ich stehe – Kommunikation auf Augenhöhe.

STANDARD: In den Podcasts wird offen über Beziehungskonstellationen gesprochen. Gab es Gesprächspartner, die ihre Beiträge zurückziehen wollten, auch bei Ihrem Buchprojekt?

Lang: Nein, ich denke, dass im Grunde alle mit dem Endprodukt zufrieden waren. Im Podcast habe ich versucht, möglichst wenig zu kommentieren, aber im Buch habe ich schon versucht, auch meine Schlüsse zu ziehen – aber auch da immer so, dass ich niemanden vorführe oder dergleichen.

STANDARD: Nun heißt es oft "Frauen vor den Vorhang". Mit diesem Podcast gaben Sie aber prominenten Männern eine Bühne. Gab es diesbezüglich kritische Stimmen?

Lang: Interessanterweise gab es da kein negatives Feedback. Ich führe das darauf zurück, dass die Antworten meiner Interviewpartner sehr selbstreflexiv waren und dass sie sich nicht in ein besseres Licht rückten oder irgendeine Show abgezogen haben.

STANDARD: Armin Assinger sagte in dem Gespräch: "Über all diese Themen habe ich bisher noch nie so bewusst nachgedacht." Hat irgendein Gesprächspartner seine Meinung über Geschlechtergerechtigkeit im Laufe des Gesprächs verändert?

Lang: Nein, aber ich habe durch den Perspektivenwechsel, den ich in diesem Podcast bewusst vorgenommen habe, neue Denkanstöße geschaffen. Außerdem habe ich viele Zuschriften von männlichen Zuhörern bekommen, die sagten, dass durch diesen Podcast intensive Gespräche über ihre eigene Beziehung entstanden sind.

STANDARD: Diese Gespräche könnten ein Umdenken in Gang setzen.

Lang: Ja, im Privaten bestimmt. Aber das Private reicht halt nicht. Wir brauchen strukturelle Veränderungen und wahrscheinlich auch einen Sinneswandel im Feminismus. Ich bin mir nicht sicher, ob es dieses extrem kämpferische Auftreten und diese aggressive Sprache heute noch braucht, ein Gegeneinander der Geschlechter sowieso nicht. Damit kommt man nicht weiter, und es ist auch nicht mehr zeitgemäß.

STANDARD: Welcher Ansatz wäre aus Ihrer Sicht zeitgemäßer?

Lang: Dass wir gemeinsam versuchen, ein neues Gesellschaftsbild zu entwickeln – eines, das fern ist von althergebrachten patriarchalen Strukturen und Stereotypen. Derzeit erlebe ich, dass wir versuchen, innerhalb dieses Systems herumzudoktern, und so nur schwer weiterkommen. Vielleicht sollten wir also versuchen, auch mal außerhalb des bestehenden Systems zu denken. Frauen und Männer gemeinsam, weil Feminismus alle betrifft. Dafür braucht es aber vor allem Mut, genügend Selbstreflexion und Respekt dem anderen gegenüber. (Gerlinde Tamerl, ALBUM, 6.11.2021)