Zeitsprünge aus der Vergangenheit ins Jetzt – Norbert Pfaffenbichler montiert alte Filme mit neuen in diversen Formaten.

Foto: Filmmuseum

Norbert Pfaffenbichler macht Notizen zu Filmen. Er verwendet dafür nicht Papier und Bleistift oder Leuchtschreiber, wie es manche tun, die sich im Dunkeln etwas vermerken. Er nimmt Filme, um etwas festzuhalten, was ihm an anderen Filmen auffällt. Notes on Film heißt ein Langzeitprojekt, mit dem er bevorzugt das frühe Kino durchforstet.

Er holt aus diesem Material etwas hervor, was es für die Gegenwart neu sichtbar und denkbar werden lässt. Für Notes on Film 01 else nahm er 2002 eine Darstellerin aus mehreren Perspektiven auf, jedes Mal mit einem anderen Material: Digital Video, Super 8, 16 mm und 35 mm.

Vorbild war eine Verfilmung von Arthur Schnitzlers Novelle Fräulein Else aus dem Jahr 1928. Pfaffenbichler fügte schließlich Einstellungen von der Schauspielerin Eva Jantschitsch, die quasi als Double des damaligen Stars Elisabeth Bergner fungiert, zu einer Bilderkette zusammen, die alle gleichzeitig in einem Splitscreen zu sehen sind. Das Ergebnis ist eine sechsminütige Meditation über die Aufhebung der historischen Spuren des Kinos in eine luzide digitale Gegenwart und Gleichzeitigkeit. Normalerweise werden Filme so gestaltet, dass von ein paar Takes der beste genommen wird. Pfaffenbichler nimmt tendenziell gleich alle.

Schattenwelten

Bei vielen Serien kommt der Zeitpunkt, an dem man sie sich gern noch einmal im Zusammenhang anschauen möchte. Pfaffenbichlers Werk ist in hohem Maß seriell, den Zusammenhang schafft nun das Österreichische Filmmuseum: Gesamtwerk und Carte blanche läuft bis zum 22. November und hält neben seinen eigenen Filmen solche, die er dazu ausgesucht hat.

Man bekommt in Ansätzen das Universum zu sehen, in dem Pfaffenbichler lebt. Der Titel des ersten Programms gibt die Richtung vor: Kino als Magie und Mechanik. Das Medium zeigt sich als magisch, indem es Kunststoff durch Maschinen rattern lässt. Bei Pfaffenbichler, gebürtig aus Steyr in Oberösterreich, Jahrgang 1967, Weibel-Schüler an der Angewandten, stehen die Maschinen des Analogen und der Virtualisierung zueinander nicht in Widerspruch.

Verrückte Zeichentrickfilme

Seine Arbeit Wirehead (1997) lässt erkennen, dass es auch in eine andere Richtung hätte gehen können als in die Schattenwelten des niemals stummen Stummfilms. Wirehead ist zumindest zu Beginn ein digitales Zuckerl, ein Spiel mit dem "Loonatischen", mit dem, was früher lustige oder verrückte Zeichentrickfilme waren, die nun aber aus einer Simulationsmaschine kommen. Pfaffenbichler kombiniert diese frühe, verspielte Arbeit mit John Carpenters Escape from L.A., mit einem Klassiker eines Zukunftskinos, das an keine Zukunft glaubt.

Das Mechanische am Magischen hob Pfaffenbichler besonders deutlich in seinem Meisterwerk Mosaik Mécanique (notes on film 03) hervor, in dem er sieben Mal 14 kleine Bilder mit Szenen aus frühen Filmen zu einem Mosaik zusammenstellte, das ein faszinierendes Wimmelbild ergibt: In jedem der kleinen Fenster spielt sich die ganze Zeit etwas ab, allerdings in einem Leerlauf, den auch die Musik suggeriert. Bernhard Lang, der vielleicht wichtigste Mitarbeiter von Pfaffenbichler, spielt in Mosaik Mécanique mit den Registern des automatisierten Klaviers, also mit einer Stummfilmbegleitung nach Programm oder Lochkarte.

Ohne natürliches Licht

Pfaffenbichler hat sich in anderen Arbeiten weit in das Dämonische und Groteske begeben, das vielen klassischen Untersuchungen des frühen Kinos aufgefallen war – oder das sie sich unterjubeln ließen. Er widmete eine ganze Arbeit dem faszinierenden Star Lon Chaney (A Messenger from the Shadows), und er ging für die Dreharbeiten von 2551.01 in den Untergrund, in eine Welt ohne natürliches Licht.

Die Maskenwesen, die er da unten fand, sind erlesen grauslich. Es ist kein Zufall, dass die Carte blanche das Bunkerdrama Der letzte Akt von G. W. Pabst enthält: In einem Land, in dem Adolf Hitler von einem Burgtheaterstar wiederbelebt werden konnte, schreibt man Notizen am besten in Menetekelform an die Leinwand.