In die Gehaltsverhandlungen von Handelsangestellten und Spitalspersonal haben die Metaller mit ihren 3,55 Prozent wohl einen Anschub gebracht.

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Wien – Die Spitalsärzte nehmen den stets als richtungsweisend gepriesenen Metallerabschluss für bare Münze. Die Bundeskurie der angestellten Ärzte in der Ärztekammer fordert eine Gehaltsanpassung für das gesamte Spitalspersonal. Diese müsse mindestens fünf Prozent betragen, postulierte Ärztekammer-Vizepräsident Harald Mayer am Sonntag via Aussendung. "Wenn die Metaller 3,55 Prozent mehr Lohn zugesprochen bekommen, dann dürfen wir mit Recht fordern, dass dem Spitalspersonal, das seit knapp zwei Jahren Corona-Pandemie nahezu Übermenschliches leistet, mehr Gehaltserhöhung als den Metallern zugesichert wird."

Zweifel, dass sich dieser Wunsch erfüllen wird, sind angebracht. Denn die Spitalserhalter, im Wesentlichen die Bundesländer, sind ihrerseits mit hohen Kosten und Einnahmenausfällen aufgrund der Covid-19-Pandemie konfrontiert.

Aufwind erhoffen auch die Arbeitnehmervertreter rund um Chefverhandlerin Anita Palkovich von der GPA, die am Donnerstag für rund 600.000 Angestellte im Groß und Einzelhandel in die dritte Verhandlungsrunde steigt.

Warnstreiks abgesagt

Die Metaller haben das Feilschen um Prozente und Prozentpunkte hinter sich. Arbeitgeber und Gewerkschaften der metalltechnischen Industrie (FMTI) haben sich in der Nacht auf Sonntag geeinigt: Ist-Löhne und -Gehälter für 134.000 Metallarbeiter und Industrieangestellte werden um 3,55 Prozent erhöht.

Die Mindestlöhne bleiben dahinter zurück, sie steigen um drei Prozent. Das wird damit begründet, dass vergleichsweise wenige Arbeitnehmer in den untersten Lohngruppen (A und B) betroffen seien. Da die Biennalsprünge am Kollektivvertrag hängen, dämpft die niedrigere Anhebung der Mindestlöhne allerdings den Kostenanstieg.

Ausnahme für Engpässe

Erleichterungen gibt es auch für Unternehmen, die keinen Sieben-Tage-Dreischichtbetrieb haben. Sie können im Fall von Lieferkettenproblemen an bis zu sechs Sonn- und Feiertagen arbeiten lassen – die Zustimmung des Betriebsrats vorausgesetzt. Die Ausnahmeregelung ist auf zwei Jahre befristet.

Gemessen am Plus von 2,75 Prozent, das beim Verhandlungspoker Dienstagnacht zum Abbruch führte, haben sich die Arbeitgeber deutlich bewegt und ihren erbitterten Widerstand aufgegeben. Nun liegt das Verhandlungsergebnis über der Inflationsrate in den zwölf Monaten (1,9 Prozent) seit der Kollektivvertragserhöhung im Vorjahr, die traditionell als Untergrenze dient.

Gefährlicher Automatismus

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sieht die Orientierung hin zur erwarteten Inflationsrate im laufenden oder gar in künftigen Jahren kritisch: Temporäre Inflationsspitzen könnten sich so verfestigen und Inflationserwartungen selbsterfüllend werden, weil sie durch höhere Löhne zu höheren Kosten und in der Folge zu höheren Preisen führen können. "Das ist der Kern der Lohn-Preis-Spirale, die für dauerhaft höhere Inflationsraten sorgen könnte", warnt Felbermayr.

Für die Industrie sei der "verhältnismäßig hohe Abschluss" eine Herausforderung. Denn vor allem Vorprodukte und Energie wurden teurer, heizen die Inflation an, nicht so sehr steigende Gewinnmargen. Dadurch geraten Unternehmen kostenseitig unter Druck, weil nicht alle Preissteigerungen in den Verkaufspreisen unterzubringen seien.

Was die Mobilisierung betrifft gehe der Punkt klar an die Gewerkschaft, die offenbar mehr Druck aufbauen konnte, attestiert der Wifo-Chef. Das Ergebnis spiegle aber auch Arbeitskräftemangel und Lieferkettenprobleme wider.

"Am oberen Limit"

Der Abschluss liege am oberen Limit, betonte FMTI-Obmann Christian Knill, er sei für viele Betriebe "an der Schmerzgrenze".

Metallgewerkschaftschef Rainer Wimmer und Karl Dürtscher (GPA) jubelten über die "kräftigen Lohn- und Gehaltserhöhungen dank Druck von der Basis". Der kam freilich auch von anderen Metallverbänden, allen voran Stahl- und Fahrzeugindustrie. Sie sahen sich "in Geiselhaft". (Luise Ungerboeck, 7.11.2021)