Fließgewässer sind ein besonders herausfordernder Lebensraum für die Analyse von Artenvielfalt. Eine neue Methode senkt Zeitaufwand und Kosten für das Monitoring.

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Beim Monitoring der Artenvielfalt vor allem auch von Gewässern wird seit ein paar Jahren immer häufiger eine neue Methode eingesetzt: die Umwelt- oder auch eDNA. Das neue Verfahren ist kostengünstig und zeitsparend, doch wie funktioniert es, und was kann es – und was nicht?

Als Umwelt-DNA oder auch eDNA nach dem englischen Begriff "environmental DNA" bezeichnet man Erbgut, das nicht direkt aus einem Organismus gewonnen wurde, sondern in einer Umweltprobe auftritt, etwa in Erde, Wasser oder Luft. Die DNA kann dabei aus Körperflüssigkeiten, Ausscheidungen, Schuppen, Haaren oder Geweberesten verschiedenster Pflanzen und Tiere stammen und Aufschluss über die gesamte in einer Probe enthaltene Lebensgemeinschaft geben. Möglich ist das in diesem Umfang erst seit wenigen Jahren dank entsprechender technischer Fortschritte.

Doch der Reihe nach: Bereits seit den 1990er-Jahren gibt es die Methode des DNA-Barcodings. Dabei werden in der DNA eines Organismus sogenannte Marker bestimmt. Das sind kurze Gen-Abschnitte, die für die jeweilige Art etwa so charakteristisch sind wie der Strichcode für Waren – daher auch der Name.

Genetischer Fingerabdruck

Die DNA der Arten, für die solche Marker bereits untersucht wurden, wird in Datenbanken gespeichert und dient als Vergleichsmaterial für unidentifiziertes Erbgut aus einer neuen Probe: Das funktioniert ganz ähnlich wie der Abgleich von an einem Tatort gefundenen Fingerabdrücken mit einer Datenbank, wodurch eine Person identifiziert werden kann, sofern sie in der Datenbank erfasst ist. Verschiedene Initiativen weltweit, wie etwa der Austrian Barcode of Life, kurz ABOL, bemühen sich seit einigen Jahren um die Vervollständigung von Gen-Datenbanken mit dem ehrgeizigen Ziel, letztlich alle Organismen der Erde genetisch zu erfassen.

Während beim gewöhnlichen DNA-Barcoding nur untersucht wird, ob eine bestimmte Art in einer Probe vorkommt – etwa die Bachforelle im Attersee –, geht es beim Metabarcoding um die Bestimmung ganzer Lebensgemeinschaften. Alles Erbmaterial, das aus einer Probe gefiltert wurde, wird dabei mittels einer Methode vermehrt, die seit rund eineinhalb Jahren in aller Munde ist, nämlich der Polymerase-Kettenreaktion oder PCR.

Abgleich mit Datenbank

Wie auch bei Corona-Tests ist das notwendig, um genügend Material für die nötigen Untersuchungen zur Verfügung zu haben. Auf diese Weise entstehen tausende identische DNA-Stücke, deren Basenabfolge in einem Sequenzierung genannten Verfahren bestimmt werden muss. Erst danach kann man sie mit einer Gen-Datenbank vergleichen.

Der zeitliche und finanzielle Aufwand, der zur Bewältigung einer solchen Fülle von Daten notwendig ist, ist erst vertretbar, seit mit Beginn der 2000er-Jahre mehrere Firmen Methoden zur automatisierten und entsprechend raschen Sequenzierung von DNA entwickelten. Diese Next Generation Sequencing oder High Throughput Sequencing genannten Verfahren ermöglichen es, alle in einer Probe enthaltene DNA zu sequenzieren und die so gewonnenen Barcodes mit entsprechenden Datenbanken zu vergleichen.

Erschwerte Bedingungen

Genau hier setzen auch die Möglichkeiten der eDNA ein, unter anderem im Wasser, wo Untersuchungen der Biodiversität notorisch schwierig sind. Herkömmlich erfolgen sie mit Netzen oder Elektrobefischung: Bei Letzterer wird über ein Aggregat vom Rücken eines Menschen oder vom Boot aus an eine bestimmte Wasserfläche Strom angelegt, der die Fische anzieht und narkotisiert. Diese werden gefangen, bestimmt, vermessen und anschließend unbeschadet wieder ins Wasser entlassen. Das ist nicht nur aufwendig, sondern an vielen Flussstellen nur schwer möglich. Die Erhebung der Artenvielfalt über eDNA stellt hier eine innovative Lösung dar, wie Martin Schletterer vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur Wien erklärt.

Im Rahmen des vom Verein für Ökologie und Umweltforschung finanzierten österreichisch-russischen Gemeinschaftsprojekts "Refcond-Volga" testeten Schletterer und Vyacheslav Kuzovlev von der Technischen Staatsuniversität Tver mit Steven Weiss und Tamara Schenekar von der Uni Graz kürzlich die Wirksamkeit der Methode. Das Projekt wurde vom Theodor-Körner-Fonds ausgezeichnet, der unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsministerium und vom Klimaministerium finanziert wird.

Umwelt-DNA

Am weitgehend naturbelassenen Oberlauf der Wolga und ihrer Zuflüsse zogen die Forscher an zehn Stellen insgesamt über 60 eDNA-Proben. Dabei wird eine bestimmte Menge Wasser durch einen Glasfaserfilter geschickt, in dem sämtliche darin enthaltene DNA hängen bleibt. In der Folge können die Organismen, von denen sie stammt, mittels Metabarcodings bestimmt werden – vorausgesetzt, ein Sample von ihnen ist bereits in einer Datenbank vorhanden.

Die Qualität der Datenbanken ist eine der vorrangigen Probleme der Umwelt-DNA. "Bei manchen großen Gruppen klaffen teilweise deutliche Lücken", sagt Schletterer, "etwa bei Kieselalgen oder beim Makrozoobenthos, also mit freiem Auge sichtbaren wirbellosen Tieren, die auf dem Gewässerboden leben. Dabei spielen genau diese Gemeinschaften eine große Rolle bei der Beurteilung des Zustands eines Gewässers."

Sinnvolle Kombination

Gut ist die Lage hingegen bei so prominenten und relativ artenarmen Gruppen wie den Fischen. Bei einem Vergleich zwischen herkömmlich erhobenen und mit eDNA gewonnenen Daten zur Fischfauna der Wolga, den Schletterer und seine Kollegen anstellten, ließen sich viele Arten mit beiden Varianten nachweisen, einige jedoch auch nur mit einer. "Man muss die beiden Methoden sinnvoll miteinander kombinieren", sagt Schletterer.

Das sieht auch Martin Schwentner vom Naturhistorischen Museum Wien so. Der auf Krebse spezialisierte Forscher untersuchte mit deutschen und japanischen Kollegen die Aussagekraft von eDNA-Untersuchungen an der Elbe. Ein Problem dabei waren die vielen Schwebstoffe, die die Filter verstopften, und Massen mikroskopisch kleiner Rädertierchen, denn "in den Filtern fängt sich nicht nur freie DNA, sondern auch ganze Mikroorganismen", sagt Schwentner.

Deutlich schwerer wiegt jedoch, dass mit eDNA zwar das Vorhandensein einer Art nachgewiesen werden kann, damit jedoch keine Aussagen über Alter, punktuelle Verbreitung, Individuendichte oder Populationsgröße möglich sind. Die Methode kommt jedenfalls mit weniger Manpower vor Ort und weniger Fachpersonal aus. "Die Umwelt-DNA ist kein Ersatz für das herkömmliche Monitoring", sagt Schwentner, "aber eine sehr gute Ergänzung." (Susanne Strnadl, 22.11.2021)