Im Landesgericht Korneuburg herrscht – so wie an allen anderen Gerichten in Österreich – nur Maskenpflicht. Ob Verhandlungen nun während des Lockdowns stattfinden, entscheidet der jeweilige Richter beziehungsweise die Richterin.

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Ab Dienstag sollte am Landesgericht Korneuburg ein regelrechter Mega-Prozess starten: Angeklagt sind nicht nur zwölf Personen, sondern auch vier Verbände. Dementsprechend viele Strafverteidiger wären dabei gewesen. Denn nachdem die Anwälte gemeinsam beim Landesgericht um Vertagung gebeten hatten, wurde reagiert. Die Hauptverhandlung ist bis inklusive 3. Dezember abgesagt, danach werde evaluiert.

Worum es beim Prozess geht

Manfred Ainedter ist als Privatbeteiligtenvertreter dabei und vertritt die Eltern und die Witwe jenes Mannes, der bei einer Gasexplosion in der OMV-Erdgasstation in Baumgarten im Dezember 2017 getötet wurde. 22 weitere Personen wurden damals leicht verletzt, der Sachschaden betrug etwa 50 Millionen Euro. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Korneuburg: fahrlässige Herbeiführung einer Feuerbrunst, bei den Verbänden geht es um Fehler bei der Kontrolle und unzureichende Prüfungen.

Fahrlässigkeit warfen nun allerdings die Anwälte dem Gericht vor. Der Grund: Insgesamt 40 Personen hätten in dem Saal Platz genommen. Gerichte sind von der G-Regel ausgenommen, es besteht ausschließlich Maskenpflicht. "Wir sind unisono der Meinung, dass es extrem unverantwortlich wäre, den Prozess jetzt durchzuführen", sagte Ainedter am Montagvormittag, als noch nicht klar war, ob das Gericht auf die Bitte der Verteidiger eingeht. Es sei vor allem nicht notwendig den Prozess abzuhalten, wenn man bedenke, dass das Verfahren seit vier Jahren anhängig sei, sagte Ainedter. "Es gibt überhaupt keinen Nachteil, wenn verschoben wird."

Mehrere Prozesse mit vielen Beteiligten

Auch an anderen Gerichten finden in den nächsten Tagen Prozesse dieser Größenordnung statt. Natürlich habe man immer die derzeit hohen Zahlen im Hinterkopf, sagt Anwalt Thomas Kralik, der in den nächsten Tagen auch an Verhandlungen mit vielen Beteiligten teilnehmen wird. Er fühle sich allerdings nicht so unwohl, dass er sich für Verschiebungen einsetzen werde. "Das ist Sache des Richters oder der Richterin."

Sind die Regeln zu locker? Kralik wägt ab: Wenn man etwa verlangen würde, dass alle Beteiligten geimpft sein sollen, dann würden sich viele Beschuldigte vermutlich nicht impfen lassen, um den Prozess zu verzögern. Bei den Zuschauerinnen und Zuschauern würde Kralik eine 3G-Regel allerdings schon "sinnvoll" finden, sagt er.

Prävention: Masken

Seitens des Landesgerichts wurde noch vor der Absage auf die Sicherheitsvorkehrungen verwiesen, die man extra für diesen Prozess eingeführt habe: Zum einen würden zwei Meter Abstand gelten, der Saal hat 180 Quadratmeter. Zum anderen die FFP2-Masken-Pflicht – das ist aber in allen Gerichten so. Es gebe auch eine gute Belüftungsanlage, sagte ein Gerichtssprecher dem STANDARD, auch Desinfektionsspender seien angebracht worden, und der Zugang für Medienvertreter sei beschränkt. Die Richterin hatte deswegen zunächst von einer Verschiebung oder Absage abgesehen. Denn ob eine Verhandlung verschoben wird oder nicht, entscheidet schlussendlich immer der Richter oder die Richterin.

Ainedter kritisierte, dass nicht getestet werde. Und ob bei so vielen Verhandlungsteilnehmern der Mindestabstand eingehalten werden könne, stellte er infrage. Die Masken an sich seien in Strafprozessen schwierig, denn diese würden von der Mimik leben. Auch die Akustik sei mit Maske extrem schlecht.

Anwälte überlegen strafrechtliche Konsequenzen

Ainedter zufolge würden manche Kollegen überlegen, ob Paragraf 178 – vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten – anwendbar wäre, wenn Prozesse in dieser Größenordnung während des Lockdowns abgehalten erden. Im Strafgesetzbuch heißt es dazu: "Wer eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wenn die Krankheit ihrer Art nach zu den, wenn auch nur beschränkt, anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört."

Ainedter selbst brachte unlängst diesen Straftatbestand bezüglich der Aussagen von FPÖ-Chef Herbert Kickl ins Spiel. Durch den Aufruf, sich nicht impfen zu lassen, liege eine Gefahr für die Gesundheit einer größeren Anzahl von Menschen vor.

Fix ist auch die Verschiebung einer laut Ainedter deutlich kleineren Verhandlung, nämlich des Prozesses gegen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl, den Ainedter vertritt. (Lara Hagen, 22.11.2021)