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PRO: Nicht noch mehr schaden

von András Szigetvari

Wir stehen vor einem großen Problem, so viel steht fest. Die Corona-Inzidenzen steigen, das Land steuert wieder mit einem Lockdown dagegen. Aber diesmal wird in den Schulen für all jene, die das wollen, regulärer Unterricht angeboten. Und das ist gut so.

Der Kampf gegen die Pandemie wurde schon zu oft auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Ein Volksschüler in der dritten Klasse hat noch kein normales Schuljahr erlebt, 39 Wochen waren die Schulen seit Pandemiebeginn ganz oder teilweise zu. Das ist unverhältnismäßig. Ja, schwere Corona-Erkrankungen bei Kindern kommen vor, auch Long Covid und die gefährliche Multi-Entzündungserkrankung PIMS. Laut einer aktuellen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie sind diese Fälle aber derart selten, dass sie nicht als Argument für "schwerwiegende und schädliche Eingriffe in den Alltag von Kindern herhalten" können.

Schulschließungen sind solche schädlichen Eingriffe. Viele Kinder lernen im Distance-Learning weniger, haben kaum Sozialkontakte. Jene, die hinterherhinken, fallen weiter zurück.

Ehe wir Schulschließungen diskutieren, sollten alle weniger schädlichen Maßnahmen ausgeschöpft sein. Das sind sie noch nicht, Stichwort flächendeckendes Homeoffice. Deshalb sollen Schulen offen bleiben, zumindest für jene, die wollen. Umso mehr, als viel getestet wird und es Impfungen für alle ab zwölf gibt – in einigen Bundesländern auch für Jüngere. (András Szigetvari, 23.11.2021)

KONTRA: Eltern in der Zwickmühle

von Irene Brickner

Im Vergleich zu den Lockdowns, die wir schon erleben durften, ist man in Sachen Elternverwirrung und Lehrerüberlastung jetzt noch einen Schritt weitergegangen. In früheren Holzhammerphasen war zumindest klar, dass die Schule nur eine betreuende Funktion hatte, weil es zwecks Fallzahlverringerung angeraten war, die schulischen Kontakte von Kindern zu unterbinden.

Diesmal hingegen wird Müttern und Vätern auch die epidemiologische Entscheidung aufgebürdet – und dem Lehrpersonal die Doppelbelastung eines Hybridunterrichts. Und zwar mit Argumenten, die widersprüchlicher nicht sein könnten. Der Präsenzunterricht finde in der Schule statt, die Kinder in ihre Klassen zu schicken sei voll okay, lautet die eine Message. Man solle die Kinder tunlichst zu Hause behalten, denn die Inzidenzen seien besonders in den jungen Jahrgängen rasend hoch, besagt die andere. Ein klarer Fall einer Zwickmühle.

Das sät Zwietracht in den Familien. Neigt ein Elternteil einer rein naturwissenschaftlichen Einschätzung der Pandemielage zu, während dem oder der anderen der daheim isolierte Nachwuchs leidtut, ist Streit programmiert. Hinzu kommt Zorn auf die Politik, die die Situation ohne rechtzeitiges Gegensteuern so weit eskalieren ließ – und die sich nun durch derartige Sowohl-als-auch-Regelungen aus der Affäre zieht. Sicher ist: Zur allgemeinen Beruhigung trägt das nicht bei. (Irene Brickner, 23.11.2021)