Ein langer Wollmantel, den weiten Strickpullover in die eng anliegende Hose gesteckt, flache Boots oder Sneakers und Sonnenbrillen: Fertig ist der French-Chic-Streetstyle – zumindest sieht er so in meinem Instagram-Feed aus. Influencerinnen präsentieren dort ihre Outfits und posten Bilder davon, wie sie scheinbar makellos durch die Straßen laufen, egal ob in Paris oder Wien.

Modemarken wie "& Other Stories" nutzen Instagram als Werbeträger.
Foto: & Other Stories, Black-Friday-Kampagne

Ich sehe Frauen, die so aussehen wie ich – oder zumindest so, wie ich gerne aussehen würde. Das ist kein Zufall, denn das spielt mir der Instagram-Algorithmus anhand der Inhalte ein, die ich in der App am häufigsten konsumiere.

Die Beiträge, die mir in den Kurzvideo-Reels und im Explore-Feed, der Such-Rubrik, angezeigt werden, passen zu meinem Kleiderschrank: klassisch-feminine Herbst-Outfits in den Farben Schwarz, Weiß, Grau, Beige und Pastelltönen.

Das ist praktisch, aber eigentlich langweilig. Denn abgesehen von den immer selben Outfits erscheint wenig Ausgefallenes. Wie kommt man also weg vom modischen Einheitsbrei?

Wichtige Werbeplattform

Den Algorithmus kann man nicht überlisten, aber füttern. Ich beginne also, den internationalen Modemagazinen Vogue, Dazed und i-D sowie einigen großen und kleineren Labels wie Asos, Zara, & Other Stories, Celine, Totême, Ganni und Miista zu folgen. Dazu kommen mit Emily Ratajkowski, Harry Styles, Zendaya, Oliva Palermo, Cocobeautea und ein, zwei Kardashians noch ein paar Stars und Influencer.

Auf der Explore-Page schlägt die App Beiträge vor, die uns interessieren könnten.
Foto: Instagram

Die Fülle an Modecontent auf Instagram zeigt, wie wichtig die App als Werbeplattform für die Modebranche ist. Es reicht jedoch nicht mehr, nur Produktfotos zu posten. "Marken müssen sich online als eigenes Medium verstehen", erklärt Florian Bösenkopf, Co-Founder der in Wien basierten Influencer-Marketing-Plattform influence. vision.

Das heißt, sie müssen regelmäßig guten Content produzieren und greifen dafür auf die Hilfe von Influencern und Content-Creators zurück. "Als eigenständige Kreative bringen diese nicht nur Reichweite, sondern auch wertvolle Ideen ein", meint Bösenkopf. Die Influencer inszenieren die Mode, stellen eigene Outfits zusammen, und ihre Follower können diese dann im Online-Shop nachkaufen.

Das Konzept habe vor allem der Online-Riese Zalando mit der "Get the look"-Kampagne revolutioniert. Dabei posten Content-Creators selbst mit nur zehntausenden Abonnenten auf ihren Profilen Zalando-Outfits, die der Online-Händler auf Instagram und der Website teilt. Auf Follower wirken solche Influencer-Postings wie eine persönliche Empfehlung – was sich nicht ausschließen muss.

Mehr als ein Feed

Glaubt man der Marktforschung, scheint das Modell zu funktionieren: Besonders Menschen unter 35, also die Generationen Y und Z, vertrauen Influencern mehr als Online-Werbung oder solcher in klassischen Medien. Das kann man naiv nennen, weil natürlich auch Influencer-Postings gesponsert sind.

Dann lässt man allerdings außer Acht, welche Vorteile soziale Medien heute auch für Nutzer bieten. Es war wohl noch nie so einfach, den eigenen Modestil zu finden und weiterzuentwickeln. Das macht den Algorithmus so treffsicher: Instagram-User suchen nach Account-Inhabern, die sich kleiden, wie sie es gerne tun würden, sie speichern Bilder mit Teilen, die sie kaufen wollen, und präsentieren sich so, wie sie gesehen werden möchten.

Mehr als eine Million Abonnenten verfolgen die Outfitposts von Influencerin Cocobeautea.
Foto: Instagram

"Instagram ist heute ein ganzes Universum", meint auch Bösenkopf. Die wenigsten hätten einen statischen Feed, den sie durchscrollen, sondern sie würden die vielseitigen Funktionen der App nützen, um etwa nach konkreten Dingen oder Personen zu suchen oder sich davon inspirieren zu lassen, mit welchen Accounts und Marken ihre Lieblingsinfluencer zusammenarbeiten.

Deswegen könne man den Algorithmus recht einfach auf einen selbst zuschneiden. "Es ist eine individuelle Entscheidung, wie ich meinen Feed aufbaue und welche Reels ich mir ansehe."

Bunte Auswahl

Soll es nicht primär darum gehen, die Lieblingsinfluencerin zu kopieren, muss man ein wenig Zeit in die Gestaltung des Instagram-Profils investieren. Die richtige Auswahl an abonnierten Accounts ermöglicht es, vergleichsweise mühelos Trends zu entdecken, die zu einem passen und – wenn man will – überraschen.

Als Gradmesser bieten sich Star-Stylisten wie Kate Young, die Margot Robbie und Dakota Johnson einkleidet, oder Creative Directors großer Modehäuser an. Sie informieren noch direkter als Influencer, was künftig im Trend ist, weil sie an der Quelle sitzen.

Das Stöbern durch die Fashion-Accounts macht so jedenfalls mehr Spaß. Mein Explore-Feed ist nach wenigen Tagen des Selbstversuchs bunter: Es gibt Röcke in allen Längen und Materialien, die Oberteile sind gewagter. Sogar Radlerhosen, Crop-Tops und eine breitere Farbpalette werden mir angezeigt. Cut-out-Tops, wie Harry Styles und Kendall Jenner sie tragen, werde ich wohl auslassen. Aber diese Plateau-Boots sehen eigentlich ganz gut aus, und vielleicht versuche ich es doch noch mit der Bootcut-Jeans. (Davina Brunnbauer, RONDO, 27.12.2021)