"Why?" – "Warum?" Mit dieser Frage hatte Sammy Davis Jr. nicht gerechnet. "Ich auch nicht", ist Christian Reichhold heute noch amüsiert, wenn er diese Anekdote zum Besten gibt. "Mir ist nichts Besseres eingefallen", gibt er zu. Damals, vor rund 35 Jahren, sei er noch ein "junger Hupfer" beim ORF-Radio gewesen.

Christian Reichhold will sich nicht auf seine Rolle als "Seitenblicke"-Anchorman oder gar "Society-Reporter" reduzieren lassen. Seine Interessen gehen weit über den roten Teppich hinaus.
Foto: Imago / Viennareport / Leopold Nekula

Nervös war er einem Tipp gefolgt und hatte sich ins Hotel Intercontinental begeben, um sein Glück zu versuchen, dem großen amerikanischen Entertainer vor seinem Auftritt im Konzerthaus ein paar Fragen zu stellen. Der gewährte ihm, buchstäblich zwischen Tür, Angel und Bodyguards, zwei. Die erste beantwortete Mr. Davis mit einem abschließenden "Musik ist mein Leben".

"Ich habe nickend wie ein Wackeldackel nur mit halbem Ohr zugehört, schwitzend, mein schweres Tonbandgerät umgehängt, und musste mir rasch etwas einfallen lassen", erzählt Reichhold. Und das war, nach einer seinem Empfinden nach ewig langen Nachdenkpause, eben "Warum?". Sammy Davis Jr. habe ihn verdutzt angesehen, dann losgelacht und gemeint: "Seit Jahren sage ich ‚Musik ist mein Leben‘, und noch nie hat mich jemand nach dem Warum gefragt."

Es ist nur eine von zahlreichen Begegnungen mit Stars und Sternchen, von denen Christian Reichhold (58) berichten kann oder könnte. Immerhin ist er seit knapp vierzig Jahren auf dem gesellschaftlichen und kulturellen Parkett unterwegs. Die meisten kennen ihn wohl als charmanten Fragesteller aus den ORF-"Seitenblicken".

Der gebürtige Wiener kennt als Society-Reporter die roten Teppiche und die, die sie bevölkern, in Wien, Berlin, Cannes, Hollywood … aber Moment, es regt sich sanfter Widerspruch: "Ich bin nicht der ‚typische‘ Society-Reporter", wendet er am Anfang unseres Gesprächs ein. "Von solchen halte ich mich im Gegenteil weitgehend fern." Hier gilt es nachzuhaken. Also starten wir unsere Plauderei, ganz im Sinne der Episode mit Sammy Davis Jr., mit einem Warum?.

"Ich bin nicht das, was man gemeinhin unter Society-Reporter versteht. Dieses Von-Festl-zu-Festl-Ziehen, heute auf der Summerstage Eis schlecken und morgen Abendessen im Marchfelderhof, mit all dem ,Grüß-dich-servus‘ und Bussi-Bussi … das sind andere. Deshalb habe ich das gesagt."

STANDARD: Ist Ihnen der Trubel mittlerweile zuwider?

Christian Reichhold: Der ist nur ein Teil meiner Tätigkeit, im Rahmen der drei Minuten "Seitenblicke". Die sind nur eine Auslage.

STANDARD: Eine, die allerdings sehr stark wahrgenommen wird, mit immerhin bis zu einer Million Zuseher.

Reichhold: Ich will mich auch gar nicht abputzen und das komplett von mir weisen. Auch in einem Eineinhalb-Minuten-Beitrag kann man relevante Inhalte transportieren. Das hängt naturgemäß auch von der Person ab, der man begegnet.

STANDARD: Ein Beispiel?

Reichhold: Neulich war die Psychoanalytikerin Erika Freeman im Congress Casino Baden. Im Saal auch junges Publikum, das den humoristischen Weisheiten dieser 94-jährigen Dame gebannt folgte. Da schwingt mit, dass sich in diesen Tagen die Novemberpogrome jährten. Frau Freeman hat sie in Wien erlebt und überlebt. Sie gibt ihr Wissen trotz dieser schrecklichen Erlebnisse einem jungen, österreichischen Publikum weiter, auf eine versöhnliche Art und Weise.

STANDARD: Wie lässt sich so eine Begegnung in einem kurzen Beitrag verpacken?

Reichhold: Natürlich kann man das nicht in eineinhalb Minuten transportieren, aber man kann zeigen, dass das eine interessante Begegnung mit einer Frau ist, die viele Fernsehzuseher vermutlich gar nicht kennen. Aber dadurch vielleicht angehalten werden, sich mit ihr zu befassen. Das sind die spannenden Dinge, auf die ich großen Wert lege. Daher mag ich auch die kurzen Einheiten, die im Unterhaltungsbereich angesiedelten, weil sie quasi als Teaser dienen, um sich mit solchen Menschen zu befassen. Natürlich ist der Aufhänger der, dass Erika Freeman die Psychotherapeutin von der Monroe und dem Brando war … damit schafft man Aufmerksamkeit. Wenn man sich dann näher mit ihr befasst, kommt man drauf, dass ihre Mutter Vorbild für Yentl war. Weil sie die erste Hebräischlehrerin überhaupt war und sich als Mann verkleidet hat.

STANDARD: Das geht weit über das Boulevardeske hinaus, das der Gesellschaftsberichterstattung oft anhaftet.

Reichhold: Genau. Ich will da die Bevölkerung des Marchfelderhofs gar nicht runtermachen. Die sind wichtig, die sind lieb, und die sind gut.

STANDARD: Sogenannte Adabeis?

Reichhold: Es gibt Menschen, die nur dafür bekannt sind, bekannt zu sein. Wo keiner weiß, was die eigentlich tun. Beispiel Birgit Sarata: Eine verdiente, lustige und schrille Frau. Über die steht dann immer zu lesen: Operetten-Diva. Das finde ich recht amüsant. Ich glaube, 95 Prozent der Menschen, die die Sarata gut zu kennen glauben, haben sie nie singen gehört.

STANDARD: Es beschleicht einen auch das Gefühl, dass man immer dieselben Leute auf den immer selben Events sieht.

Reichhold: Das ist eine Art Wanderzirkus, der auch von den Veranstaltern provoziert wird. Die sehen in den Gesellschaftsspalten, welche Namen erwähnt werden, und laden dann genau diese Personen ein.

STANDARD: Ein selbstverstärkendes System?

Reichhold: Ein Kreislauf, der sich selbst am Leben erhält und in bestimmten Zirkeln seit Jahren gut ankommt.

Christian Reichhold interviewt Lars Eidinger anlässlich der Salzburger Festspiele 2021.
Foto: imago images/Manfred Siebinger

STANDARD: Sehen Sie daran auch etwas Positives?

Reichhold: Ich finde das nicht unbedingt negativ. Diese Menschen tun nichts Böses. Die haben eine Riesenfreude, dass sie irgendwo wahrgenommen werden. Manchmal geben sie sogar eine pointierte Aussage von sich, die dann im besten Fall sogar richtig zitiert wird. Kurz: Es ist alles harmlos. Für mich war es teilweise merkwürdig, wenn durch die Anwesenheit einer wie auch immer gearteten Prominenz der eigentliche Zweck einer Veranstaltung gar nicht mehr sichtbar ist. Man sieht auf Vernissagen nichts von der ausgestellten Kunst, sondern immer nur die altbekannten Gesichter. Das ist ein bisschen so nach dem Motto "Wir für uns". Bei so etwas spiele ich ungern mit.

STANDARD: Besteht nach so vielen Jahren im Geschäft die Gefahr, zynisch zu werden?

Reichhold: Ironie spielt eine Rolle. Sie schwingt in den Zwischenfragen mit, kleine Informationen, die man als Bösartigkeit auslegen könnte. Wenn zum Beispiel ein neues, vierköpfiges Opernball-Komitee vorgestellt wird, dem drei Personen angehören, die noch nie auf dem Opernball waren. So was kann man nicht unkommentiert lassen. Bestenfalls reagieren die Protagonisten mit ehrlicher Selbstironie.

STANDARD: Wie unterscheidet sich die heimische von der großen internationalen Prominenz?

Reichhold: Durch die Professionalität. Ich bin schon lange dabei und habe Gregory Peck, Frank Sinatra, Charlton Heston getroffen. Das war noch eine andere Generation von Stars. Die haben es schon damals geschafft, um sich herum eine Aura zu erschaffen. Bei uns hat man das nur in der Top-Liga, was man heute als Message-Control bezeichnet. Dass ein Peter Alexander seine Schnurrdiburr, seine Frau Hilde, um sich hatte, die ihn abgeschirmt hat und alle klagte, die ein Gerücht in die Welt gesetzt hatten, das war die Ausnahme.

STANDARD: Macht es diese "Message-Control" nicht erheblich schwieriger, einem Star auf Augenhöhe zu begegnen?

Reichhold: Ich habe 2019 die Publicists Awards in Los Angeles besucht, die immer in der Oscar-Woche stattfinden. Ein Mittagessen, wo die Stars im Beverly Hilton Hotel ihre PR-Leute und Agenten hochleben lassen. Ich besuche die Veranstaltung seit über 25 Jahren. Ich war dabei, als sich der Präsident der Publicists-Vereinigung verabschiedet hat. Er hat berichtet, dass viele Stars vor 30 Jahren noch gar keinen "Publicist" hatten. Das hat für einige Lacher im Saal gesorgt. Damals hätten sich die Journalisten und Fotografen noch persönlich an die Stars gewendet. Noch mehr Heiterkeit. Damals wurden auch noch Homestorys direkt bei den Stars zu Hause gedreht. Schallendes Gelächter im Saal.

STANDARD: Was hat die Kollegen so erheitert?

Reichhold: Weil das heute unvorstellbar ist. Aber ich habe das damals noch alles erlebt. Ich war bei der Bo Derek, bei der Elke Sommer daheim. So was findet mittlerweile bei den großen Namen, wenn überhaupt, nur mehr in irgendwelchen Hotelzimmern statt.

STANDARD: Viele Stars geben dafür in sozialen Medien viel von sich preis. Hat Instagram die klassische Homestory ersetzt?

Reichhold: Wir wollten während eines Lockdowns eine Homestory mit Anna Netrebko, die ich mittlerweile lange kenne, machen. Wir haben freundlich angefragt und nicht einmal eine Absage erhalten. Dabei breitet sie ihr Privatleben auf Instagram aus.

STANDARD: Fühlen Sie sich da um eine Begegnung betrogen?

Reichhold: Gerade die Begegnungen sind es, die ich persönlich als zusätzliche Entlohnung für meine Tätigkeit empfinde. Das ist doch das eigentlich Spannende. Ich bedaure all jene, die um Begegnungen umfallen. Viele Kolleginnen und Kollegen schauen sich beispielsweise ein Theaterstück nicht an, weil es ihnen genügt, den Schauspieler danach für ein paar Minuten zu interviewen. Dann kommt dabei heraus, dass man eine Andrea Jonasson nach der Vorstellung von Ibsens "Gespenster" ernsthaft zu Halloween befragt, weil’s gerade in der Zeit war und weil’s gerade so lustig ist.

STANDARD: Gibt es Begegnungen, an die Sie sich gerne erinnern, außer der mit Sammy Davis Jr.?

Reichhold: Es gibt zwei, die ich gerne in meinem Bauchladen vor mir hertrage. Die Begegnung mit dem Schriftsteller Gregor von Rezzori und die andere mit Peter Ustinov. Rezzori habe ich in der Toskana besucht, und es war alles klug und gut, was er gesagt hat. An Ustinovs Lippen bin ich gehangen. Wir haben ihn lange begleitet von Thailand über Prag nach Wien und St. Petersburg. Er war ein Universalgelehrter. Ich wollte ihm stundenlang zuhören, weil er eine Gescheitheit nach der anderen gesagt hat.

STANDARD: Wen würden Sie diesem Bauchladen gerne noch hinzufügen?

Reichhold: Möglichst viele jener Hollywoodlegenden, die ich noch nicht getroffen habe. Zeitzeugen, von denen es immer weniger gibt. Ich möchte ihnen begegnen, den Moment mit ihnen auskosten und sie nicht nur flüchtig kennenlernen. Um im Idealfall ein bisschen von der Aura, der Energie, die sie umgibt, weiterzugeben – und sie damit weiterleben zu lassen. (Markus Böhm, RONDO exklusiv, 5.12.2021)