"Was krumme Dinger anging, war Carney eher ein kleines Licht": Mit dieser Einordnung des Hauptdarstellers ist es gelöst, das Ticket für eine Reise nach Harlem im New York der frühen 1960er – zu Rick Carney, einem schwarzen Möbelhändler, Gelegenheitshehler und Sohn eines richtigen Gangsters.

Colson Whitehead, "Harlem Shuffle". Übersetzt von Nikolaus Stingl. 25,– Euro / 384 Seiten. Hanser-Verlag, 2021
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Doch ist Rick, dessen Familie nichts von seiner kriminellen Ader ahnt, überhaupt Hauptdarsteller in Colson Whiteheads Harlem Shuffle? Mitnichten. Harlem ist es, der damals schwarze Stadtteil New Yorks. Im mit "Es reicht" getitelten letzten Teil des Romans wird Harlem in den Flammen der 1964er-Proteste stehen.

Nach denen Ricks abenteuerlicher Tanz zwischen Legalität und Verbrechen noch immer nicht zu Ende sein wird. Oder doch? Ein heißer Tanz – "You move it to the left, you move it to the right" heißt es im Song Harlem Shuffle bei den Stones –, der den gebildeten Möbelhändler, der eigentlich so rechtschaffen wie möglich aufsteigen will, immer wieder von Harlem ins weiße Manhattan hinunterführt, wo er seine Hehlerware zu versilbern pflegt.

Auf dem feinen Sofa

Korruption gibt es dort wie da, beim zweifachen Pulitzer-Preisträger Whitehead tritt sie in Person eines weißen Cops ebenso auf wie in der eines Schwarzen, der Rick um seine so erhoffte Mitgliedschaft im angesehenen Club betrügt, oder in jener eines schwarzen Bankers, der fast alle seiner Kunden um ihr Geld bringen wird.

Am besten man sitzt auf einem feinen Sofa (was ein feines Sofa ist, lernt man von Whitehead), hört Big-Band-Sound und hat eine New-York-Karte griffbereit, wenn man Rick durch sein zwiegespaltenes Leben begleitet. Seinem kriminellen Cousin Freddie, der ihn mit Hehlerware versorgt, ist nichts heilig: Ausgerechnet das Hotel Theresa – das längst die Rassentrennung aufgehoben hat und in dem die Größen der schwarzen Musik absteigen – raubt er aus.

Doch Rick hilft ihm selbst da weiter, beim Versilbern der Klunker. Die Zinsen aus seinem kriminellen Nebenjob investiert er in immer bessere Wohnungen für sich und seine Familie und in seinen Möbelladen, in dem er wie die Weißen in Manhattan unten feinste Ware feilbietet.

Das Geschäft geht ganz gut. Aufstieg und Fortschritt machen auch vor Harlem nicht halt. Wird Rick es künftig ohne seine krummen Touren schaffen? Man würde es ihm wünschen. Obwohl dann vielleicht New York zusammenbräche: "Er war eine Wand zwischen der kriminellen und der ehrlichen Welt; notwendig, weil er die Last trug." (Renate Graber, ALBUM, 11.12.2021)