E-Autos auf Russlands Straßen haben einen exotischen Anstrich: Landesweit gab es – Stand September – 12.290 Elektrofahrzeuge. Rund 35 Prozent verteilen sich dabei auf drei Regionen – und die Hauptstadt Moskau ist mit 1360 E-Autos nur auf Rang drei. Führend in der Statistik sind die nicht unbedingt zu erwartenden Regionen Primorje um Wladiwostok im fernen Osten Russlands (1572) und das sibirische Irkutsk am Baikalsee (1381).

Mit einem Marktanteil von 0,03 Prozent an den zugelassenen Pkws spielen E-Mobile in Russland nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Trotzdem ist die Tendenz klar steigend: Seit Anfang 2020 hat sich die Anzahl der Elektrofahrzeuge in Russland verdoppelt.

Der Grund: Mitte 2020 hat die russische Regierung die Importzölle für Elektro-Cars aufgehoben, womit diese nun konkurrenzfähig geworden sind. Gerade gebrauchte E-Autos aus Japan, vor allem die Modelle Nissan Leaf, haben seither den Weg nach Russland gefunden – so erklärt sich auch die Führungsrolle von Wladiwostok in der Disziplin.

Ehrgeizige Ziele

Die russische Führung stellt beim Thema E-Autos ehrgeizige Ziele: Bis 2030 sollen batteriegetriebene Fahrzeuge 15 Prozent des Marktes ausmachen. Das bedeutet ein deutlich höheres Wachstum, als China und Europa in den letzten zehn Jahren in dem Segment vorweisen können.

E-Autos sind in Russland noch eher Exoten. Ehrgeiz legt aber auch die russische Regierung an den Tag. Sie will nicht nur Konsumenten zum Umstieg bewegen, sondern auch die Autobranche.
Foto: Imago/Rupert Oberhäuser

Daneben will der Kreml nicht nur Markt sein, sondern Russland zum Produzenten in der Zukunftsbranche machen. 2030 sollen in Russland laut dem Konzept des Wirtschaftsministeriums rund 220.000 E-Autos vom Band laufen, derzeit werden noch keine produziert.

Schon ab 2024 fordert das Ministerium eine Lokalisierung der Produktion von Batterie und Elektromotor. Viele der sogenannten Spezialinvestitionsverträge mit westlichen Autobauern wie beispielsweise VW, die bisher vor allem eine Lokalisierung von (Benzin-)Motor und Schaltgetriebe vorgesehen haben, werden damit obsolet.

Infrastruktur fehlt

Innerhalb der Automobilbranche gibt es eine gewisse Skepsis, ob der Wechsel zu schaffen ist. Vor allem, weil die passende Infrastruktur für Elektrofahrzeuge fehlt. Insgesamt gibt es weniger als 500 Ladestationen in Russland.

"Mit einem Elektro-Car kannst du praktisch nicht aus der Stadt raus", meint der Autoexperte Kyrill Saitzew. Während es in den Städten zumindest in den Parkgaragen der neuen Einkaufs- und Vergnügungszentren oder moderner Hochhaus-Projekte teilweise schon einige kostenlose E-Tankstellen gibt, herrscht auf den Landstraßen Leere.

Die russische Regierung will daher den Ausbau von Schnellladestationen in Pilotregionen fördern.
Foto: Imago/Gabor Krieg

Die russische Regierung will daher den Ausbau von Schnellladestationen in Pilotregionen fördern. Das betrifft die Fernstraßen M4 von Moskau nach Richtung Kasan und die Krim und die M11 von Moskau nach Krasnodar. Daneben sind 19 Regionen im Fördertopf, darunter das Moskauer Umland und das Leningrader Gebiet – dem Vernehmen nach allerdings nicht Moskau und Sankt Petersburg selbst.

Impulse

Gefördert werden zudem nur Stationen mit mindestens 150 Kilowatt Kapazität und vier Anschlüssen, wovon zwei den europäischen Standard CCS und zwei den eher in Asien verbreiteten Standard CHAdeMO aufweisen müssen. "Die Förderung solcher Schnellladestationen entlang belebter Fernstraßen ist vernünftig", sagte Sergej Roschenko, Vizedirektor der Investitions- und Kapitalmarktabteilung bei KPMG in Russland, dem STANDARD. Ohne entsprechende Impulse werde sich der Sektor nicht entwickeln, meint er.

Insgesamt sollen mit den Subventionen 2900 Ladestationen aufgebaut werden, wobei die Regierung bis zu 60 Prozent der Stationskosten und bis zu 30 Prozent der Kosten für den Anschluss ans Stromnetz übernimmt. Tatsächlich werden aber wohl speziell die Anschlusskosten wesentlich höher als vom Kreml geplant, da die Stromkapazitäten vielerorts nicht ausreichen. Und so fordern einige Marktteilnehmer, die Bedingungen für die Subventionen zu senken, ansonsten werde das Programm scheitern, warnen sie. (André Ballin aus Moskau, 30.11.2021)