Verfassungsministerin und Gesundheitsminister sprachen über die Impfpflicht. Der Kanzler war nicht dabei, er sprach mit Amtskollegen über Omikron.

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Die Gespräche zur Impfpflicht sind angelaufen, über allem steht – so klingt das von der zuletzt sogar intern zerstrittenen Bundesregierung – ein breiter Konsens. Konkrete Pläne stehen bislang aber noch aus.

Frage: Welches sind die fixen Eckpunkte?

Antwort: Fest steht das Datum: Am 1. Februar soll das Gesetz zur allgemeinen Impfpflicht kundgemacht werden. Das heißt aber nicht, dass alle, die an dem Tag nicht geimpft sind, sofort Strafe zahlen müssen – es gibt in der Regierung zumindest die Überlegung, mehrere Vorladungen zu verschicken, bevor eine Strafe zu zahlen ist. Denkbar ist auch, dass eine Strafe auch zweimal bezahlt werden muss, wenn die Impfung weiterhin verweigert wird – im Raum stehen Summen von insgesamt bis zu 7.200 Euro Verwaltungsstrafe.

Frage: Was ist, wenn bis dahin aber ohnehin schon sehr viele Menschen geimpft sind?

Antwort: Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass die Impfquote bis Februar drastisch ansteigt, ändert das aus Sicht von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) nichts: "Das kommt fix ab 1. Februar." Aus rechtlicher Sicht, so meint Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk, müsste die Frage der Verhältnismäßigkeit – und damit der Verfassungskonformität – einer Pflicht dann neu bewertet werden. Er betont aber: "Wenn trotz hoher Durchimpfungsrate ein Schutz, etwa vor Varianten, nicht gesichert ist, dann bleibt eine Impfpflicht erwägbar."

Frage: Ist denn schon klar, ab welchem Alter die Impfpflicht gelten wird?

Antwort: Nein. Kolportiert werden Altersgrenzen von zwölf oder vierzehn Jahren. Infektiologe Christoph Wenisch, der ebenfalls bei den Gesprächen am Tisch war, sagte dazu: "Eine Leitschnur ist sicher die Zulassung" – die liegt bei den Impfstoffen aktuell bei zwölf (Moderna) und 18 Jahren (Johnson & Johnson, Astra Zeneca), der Impfstoff Biontech/Pfizer ist ab fünf Jahren zugelassen. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) schloss eine Impfpflicht für Volksschulkinder aus.

Frage: Wer war sonst bei den Gesprächen?

Antwort: Anwesend waren renommierte Expertinnen und Experten verschiedener Felder. Darunter etwa Medizinjurist Karl Stöger, die Vorsitzende der Bioethikkommission Christiane Druml, Ursula Wiedermann-Schmidt vom Nationalen Impfgremium, der Sozialpsychologe Robert Böhm und die Ökonomin Monika Köppl-Turyna. Dabei waren außerdem Politiker und Politikerinnen aus den Oppositionsparteien SPÖ und Neos.

Frage: Und was ist mit der FPÖ?

Antwort: FPÖ-Chef Herbert Kickl gab am Dienstag eine eigene Pressekonferenz, er kritisierte, dass er nicht eingeladen worden war. Wurde er tatsächlich nicht. Mückstein sprach in dem Zusammenhang von einem "destruktiven Zugang" Kickls, Edtstadler streckte die Hand in Richtung jener in der FPÖ aus, die zu konstruktiven Gesprächen bereit seien.

Frage: Was sagen die Neos und die SPÖ?

Antwort: Rundherum wurde nach den Gesprächen betont, dass die Stimmung eine konstruktive gewesen sei. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist grundsätzlich für eine Impfpflicht, diese müsse "epidemiologisch wirksam sein, um trotz künftiger Wellen weitere überlastete Spitäler und Lockdowns zu verhindern". Sie sprach sich für eine soziale Staffelung bei der Sanktionierung aus. Für Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist wichtig, "dass wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass wir alle unsere Freiheit wieder zurückbekommen – und kein Lockdown mehr notwendig ist". Wobei bei den Neos, namentlich bei Gerald Loacker, bei der Impfpflicht dann eine rote Linie überschritten wäre, wenn sie schon ab zwölf Jahren gelten würde.

Frage: Kann die Opposition denn eine Impfpflicht verhindern?

Antwort: Nein. Das Gesetz wird mit einfacher Mehrheit beschlossen, die Opposition braucht es dafür nicht. Auch der Bundesrat kann das Gesetz nicht verzögern. Somit wird ein Entwurf aller Erwartung nach ab kommender Woche in Begutachtung gehen und dann beschlossen werden. Geplant ist laut Gesundheitsminister eine Begutachtungsfrist von zumindest vier Wochen, auch weitere Gespräche sind geplant.

Frage: Ist es bis dahin getan mit Corona-Maßnahmen?

Antwort: Wohl nicht. Noch immer sind die Inzidenzen hoch und die Intensivstationen an den Grenzen. Ökonomin Köppl-Turyna, ebenfalls beim runden Tisch anwesend, plädiert auch bis zum Februar für weitere Maßnahmen, die die Impfbereitschaft erhöhen – etwa Terminangebote für die Impfung oder verpflichtende Beratungsgespräche. "Wir können nicht sagen: ‚Gut, jetzt kommt die Impfpflicht, jetzt sind wir erlöst‘", sagt sie.

Frage: Würden nicht Belohnungen für Geimpfte auf breitere Akzeptanz stoßen als die Impfpflicht?

Antwort: Auch damit setzte sich Köppl-Turyna auseinander. Für eine Impfpflicht, sagt sie, würde etwa sprechen, dass Menschen stärker auf negative Anreize reagieren würden als auf positive. Außerdem dürfte der Betrag weder zu gering – und damit wirkungslos – noch zu hoch sein, denn damit würde die intrinsische Motivation, impfen zu gehen, verlorengehen. Dazu kommt die Kostenfrage: Man könne nicht nur jenen, die sich den Erststich erst holen müssen, Geld geben, also käme man schnell in die Milliardenhöhe, sagt sie. Die Kosten eines Lockdowns schätzt Köppl-Turyna auf bis zu eine Milliarde Euro pro Woche. Doch auch bei Impfanreizen würden sich dank Auffrischungsimpfungen die Kosten summieren, so die Ökonomin. (Gabriele Scherndl, 30.11.2021)