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Erklärungsbedarf für Kommissar Hahn wegen EuRH-Rechnungen.

Foto: AP / Roland Wittek

Nach Enthüllungen über Missbrauch mit Spesenrechnungen, Wohnbeihilfen oder bei privater Verwendung von Dienstautos an der Spitze des Europäischen Rechnungshofes (EuRH) gibt es neue Vorwürfe. Die Zeitung Libération publizierte Donnerstag den zweiten Teil eines Untersuchungsberichts.

Bisher war vor allem EuRH-Präsident Klaus-Heiner Lehne unter Druck geraten, weil er für seine Wohnung am Dienstort 3600 Euro pro Monat Wohnbauhilfe bekommt, aber Zimmer an Kabinettsmitarbeiter vermietet, selbst kaum da sei. Er bestritt alle Vorwürfe vehement.

Nun berichtet das Blatt, rund um den EuRH habe es seit vielen Jahren ein Netzwerk aus hohen Beamten, EU-Politikern und Lobbyisten vor allem aus der Europäischen Volkspartei (EVP) gegeben, die private und öffentliche Interessen regelwidrig vermischten. Man habe sich bei privat organisierten Essen diskret getroffen, um sich abzusprechen – abgerechnet im EuRH. Eine beliebte Methode sei gewesen, sich in Frankreich oder Belgien zu Jagdausflügen zu treffen und sich auszutauschen.

Bezahlt wurde das teilweise von der Lobby der Landbesitzer (ELO) in Brüssel. Laut der Zeitung reichte dieses Netz in die EU-Kommission ebenso hinein wie in den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Zentrale Figur war ein Rechnungshofmitglied aus Belgien, Karel Pinxten. Der wurde im Herbst vom EuGH verurteilt, weil er 500.000 Euro unrechtmäßig verwendet hatte. Ihm wurde die Pension um zwei Drittel gekürzt.

Libération arbeitet im Detail aus, wie das System Pinxten funktioniert hat. So war er etwa mit dem EuGH-Präsidenten Koen Lenarts privat eng verbunden, zahlte für Einladungen, sodass der Höchstrichter sich im Verfahren gegen Pinxten für befangen erklären musste.

Hahn auf Jagd mit Prüfer

Erklärungsbedarf hat nun auch EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn. So wie sein früherer Kollege, der aus Finnland stammende EU-Kommissar für Beschäftigung, Jyrki Katainen (beide EVP), nahm er im Dezember 2015 an einer Jagdgesellschaft teil. Bezahlt wurde das vom Belgier Thierry de l’Escaille von den Landeigentümern. Das Dinner um 2178 Euro für elf Leute zahlte Pinxten. Laut Libération wäre Hahn gemäß dem Verhaltenskodex verpflichtet gewesen, die Teilnahme in der Kommission registrieren zu lassen, auch weil Pinxten im Rechnungshof der Prüfer für den Zuständigkeitsbereich von Hahn war.

Das Büro des Kommissars erklärte dem STANDARD dazu, die Einladung sei "rein privater Natur" gewesen. Er habe in Begleitung seiner damaligen Partnerin Barbara F. teilgenommen, die einen Jagdschein besitze. Daher sei es auch nicht erforderlich gewesen, das in das Transparenzregister einzutragen. Es habe damals auch keinerlei Verdachtsmomente zu Pinxten gegeben. Nicht nur Kommissare, auch EuGH-Richter wie Nils Wahl nahmen an mehreren ELO-Jagden teil. Der Schwede konnte am Pinxten-Verfahren nicht teilnehmen.

Essen mit österreichischer Vertreterin

Hahn wird noch ein anderer Interessenkonflikt angekreidet. Er habe sich im Juni 2021 gleich dreimal mit der österreichischen Vertreterin im Rechnungshof, Helga Berger, zum Essen getroffen. Die Rechnungen verbuchte sie dem Rechnungshof, wie ein Sprecher dem STANDARD bestätigte.

Einmal sei seine heutige Partnerin, Susanne Riess-Passer, dabei gewesen, die frühere Vizekanzlerin der schwarz-blauen Regierung Schüssel I (2000 bis 2002), schreibt Libération. Berger war einst in ihrem Kabinett, wechselte später in den österreichischen Rechnungshof. 2020 wurde sie von der Regierung Kurz für Luxemburg nominiert.

Hahns Büro erklärt dazu, diese Zusammenkünfte waren "Teil des regelmäßigen Austauschs, den der Kommissar mit Vertretern von Institutionen/Organisationen führt, die mit Tätigkeiten im Rahmen seines Portfolios in Zusammenhang stehen". Es hätten auch Vertreter anderer Institutionen teilgenommen. Ein Eintrag ins Transparenzregister sei nicht nötig gewesen. (Thomas Mayer, 3.12.2021)