Die Dornenkrone ist eine beeindruckende Erscheinung – und kann bei Massenauftreten ganze Riffe kahlfressen.
Foto: AFP/Lillian SUWANRUMPHA

Schon lange vor den Heimsuchungen durch die Klimaerwärmung fürchtete man um die Zukunft des Great Barrier Reef. Seit den 1960er-Jahren beobachtete man mit wachsender Besorgnis, welche Schäden eine vielarmige Fressmaschine am Unesco-Weltnaturerbe vor der Ostküste Australiens anrichten kann. Wie kaum ein anderes Tier ist der Dornenkronenseestern (Acanthaster planci) darauf spezialisiert, mit großer Effizienz die Polypen von den Kalkskeletten der Korallenriffe zu grasen.

In kleinen Mengen nützlich

In geringer Zahl sind Dornenkronen vergleichsweise harmlos, haben wahrscheinlich sogar eine wichtige regulierende Funktion bei der Artenvielfalt des Ökosystems. Ein gesundes Korallenriff verträgt im Normalfall bis zu 30 Exemplare pro Hektar, ohne großen Schaden zu nehmen. In solchen überschaubaren Mengen beeinflussen sie die Biodiversität ihres Lebensraumes, indem sie bestimmte Steinkorallenarten zurückdrängen und so Platz schaffen für andere, von den Seesternen verschmähte Korallen.

Überdies ist die Dornenkrone mit ihrem aggressiven, oft farbenprächtigen Auftreten ein eindrucksvoller Anblick, denn sie macht ihrem Stamm, den Stachelhäutern, alle Ehre: Dornenkronen erreichen einen Durchmesser von 40 Zentimetern und sind an der Oberfläche mit langen Giftstacheln besetzt. Ein Stich oder Kratzer kann starke Schmerzen und Übelkeit verursachen und sogar zu Lähmungen führen. Sie wieder loszuwerden, wenn sie überhandnehmen, ist schwierig.

Ein Dornenkronen-Ausbruch in Französisch-Polynesien.
Foto: Rore bzh

Rätselhafte Vermehrung

Mit dem Problem der Massenvermehrung von Dornenkronen schlägt man sich vor der Ostküste Australiens, wie auch in anderen Regionen des Indopazifiks, schon seit Jahrzehnten herum. In unregelmäßigen Abständen und aus unklaren Gründen wächst ihre Zahl in einem für die Riffe unerträglichen Ausmaß. Beim Great Barrier Reef verzeichnete man in den vergangenen 60 Jahren insgesamt vier solche Ausbrüche, der aktuellste ist immer noch im Gange.

Bei diesen regelrechten Bevölkerungsexplosionen versammeln sich bis über 1000 Dornenkronen auf einem Hektar. Die normalerweise bevorzugten Korallensorten reichen dann häufig nicht mehr aus, um die Seesterne satt zu machen. Viele sind gezwungen, ihren Speiseplan auf andere Korallenarten auszudehnen. Nach dem Durchzug der stacheligen Heere bleiben kahlgefressene Riffwüsten zurück.

Die Liste der möglichen Gegenmaßnahmen ist kurz: Letztlich läuft es meist darauf hinaus, jeden einzelnen Seestern per Hand einzusammeln oder zu töten. Deutlich nachhaltiger wäre es freilich, bei den Ursachen der Massenvermehrungen anzusetzen.

Schnecken gegen Seesterne

Auch wenn das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren, die zu einer Überhandnahme führen, noch Rätsel birgt – ein naheliegender Zusammenhang zeichnete sich bei der Untersuchung des Phänomens bereits sehr früh ab: Gehen die Fressfeinde der Dornenkrone zurück, nimmt ihre Zahl rasant zu. Das Wissen darüber, welche Meerestiere sich an Dornenkronen heranwagen oder sich von ihren Larven ernähren, ist allerdings noch lückenhaft. Tritonshörner, eine große Schneckengattung, könnten dazu gehören, denn ihr Rückgang spiegelt sich in der Zunahme der Dornenkronen wider.

Zeitraffer-Video: Dornenkronen fallen über ein Riff her.
SciTech Daily

Eine entscheidende Rolle bei der Bevölkerungskontrolle von Dornenkronen könnten gewisse, auch kommerziell interessante Rifffische spielen, wie nun Forscher vom Australian Institute of Marine Science (AIMS) nachgewiesen haben. Für seine Untersuchung verglich das Team um Frederieke Kroon Langzeitdaten der Bestände von Rifffischen und Dornenkronen bei für die Fischerei geöffneten Riffen mit jenen von Schutzgebieten.

Dabei zeigte sich ein Zusammenhang: An Riffen, die für die Fischerei geschlossen sind, war die Biomasse von Schnappern und Kabeljauen 1,4- bis 2,1-mal höher und die Seesterndichte fast dreimal niedriger als an den befischten Riffen.

Hilfe im Kampf gegen die dornige Plage

"Unsere Studie liefert erstmals starke Beweise dafür, dass es weniger Dornenkronen an Riffen mit mehr Raubfischen gibt", sagte Kroon. Die Beziehung zwischen Fischfang und Dornenkronen-Ausbreitung sei laut den im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlichten Daten jedenfalls sehr auffallend. "Da diese Fischarten aber nicht dafür bekannt sind, Dornenkronen zu fressen, interessiert uns, was diese Beziehung erklären könnte."

Ein Großkopfschnapper (Lethrinus nebulosus) beäugt die Kamera vor einer Ansammlung von Dornenkronen am Great Barrier Reef. Er zählt zu jenen Arten, die dem Seestern möglicherweise Einhalt gebieten können.
Foto: Australian Institute of Marine Science

Gezieltes Fischereimanagement

Eine Möglichkeit sei, dass Jungfische die Larven der Dornenkronen auf ihrem Speisezettel stehen haben. Letztlich zeige sich vor allem, dass gezieltes Fischereimanagement einen höheren Stellenwert bei der Bekämpfung von Dornenkronen-Ausbrüchen verdient. Es sei sicher nicht dieser Faktor allein, aber das Wissen darüber liefere einen wichtigen Beitrag zu effizienteren Maßnahmen gegen diese dornige Plage, meinen die Wissenschafter.

"Seestern-Ausbrüche sind nach wie vor eine der Hauptursachen für Korallenverluste, können aber im Gegensatz zu anderen Belastungen wie dem Klimawandel auf lokaler und regionaler Ebene bewältigt werden", so Kroon. "Langzeitdaten, wie sie in dieser Studie verwendet werden, sowie experimentelle Studien sind die besten wissenschaftlichen Werkzeuge, um die Komplexität von Massenauftreten der Dornenkronen zu verstehen und wirksame Schritte dagegen umzusetzen." (Thomas Bergmayr, 9.12.2021)