Olaf Scholz übernimmt von Angela Merkel. Er startet unter ungleich schwierigeren Bedingungen als seine Vorgängerin.

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Angela Merkel ist nun Geschichte. Am Mittwoch hat sie das deutsche Kanzleramt an ihren Nachfolger Olaf Scholz übergeben und dann das Haus endgültig verlassen.

Auch wenn man ihre Politik nicht immer gutgeheißen hat: Dieser Tag war nicht nur historisch, sondern auch berührend. 16 Jahre sind eine ungewöhnlich lange Zeit, an deren Ende Deutschland immer noch als eines der reichsten Länder der Welt dasteht.

Scholz übernimmt also von Merkel einerseits ein gut bestelltes Haus. Andererseits startet er unter ungleich schwierigeren Bedingungen als seine Vorgängerin. In der ersten Zeit wird er sich hauptsächlich mit dem Kampf gegen Corona beschäftigen müssen.

Doch auch auf anderen Politikfeldern werden schnelle Erfolge erwartet – denn Scholz ist ja mit dem bemerkenswerten Versprechen angetreten, gleichzeitig für Kontinuität und für Aufbruch zu sorgen.

Keine Überforderung

Er will die Deutschen nicht durch einen völlig neuen Stil überfordern. Das könnte er auch nicht. Scholz ist Scholz, mit all seinen Vorzügen und Nachteilen.

Aber vor allem junge Menschen setzten große Hoffnungen in die Ampel, weil sie den Klimaschutz engagierter angehen und auch sonst einigen Stillstand überwinden will. In Berlin lautet der Ampel-Spin bereits so: Mit der rückständigen Union konnten die Sozialdemokraten vieles nicht durchsetzen. Doch jetzt, mit Grünen und FDP, könne man endlich durchstarten.

Neue Debattenkultur

Gestalten statt verwalten, das klingt natürlich gut. Nach 16 Jahren Merkel braucht Deutschland nicht nur – etwa bei der Digitalisierung – konkrete Verbesserungen, sondern auch eine neue Debattenkultur. Es darf und soll in der Regierung mehr Auseinandersetzung und eine neue Lust auf konstruktives Streiten geben.

Allerdings lauern allerhand Fallstricke auf dem Weg der Ampel. Das Geld ist knapp, anders als Vorgängerregierungen muss die Ampel knapp kalkulieren, da die Corona-Hilfen gewaltige Löcher ins Budget gerissen haben.

Auch die personelle Konstellation dürfte nicht immer einfach werden. Scholz hat zwei ausgewiesene Alphatiere in seinem Kabinett sitzen. Super-Klima-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird beweisen wollen, dass er der Beste ist, Finanzminister Christian Lindner (FDP) ihm dabei in nichts nachstehen. Extrem unter Druck sind die Grünen. Sie wissen, dass sie beim Klimaschutz bald liefern müssen. Doch es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Lindner als gestrenger neuer Kassenwart einiges nicht finanzieren möchte.

Hemmschuh für die Ökopartei

Und bald schon könnte sich ein Triumph der Liberalen als Hemmschuh für die Ökopartei erweisen: Das wichtige Verkehrsministerium bekamen nicht die Grünen, sondern die FDP. Es muss aber auch dort Klimaschutz stattfinden.

Seine Genossinnen und Genossen darf Scholz auch nicht ganz vergessen, diese waren in den vergangenen Jahren oft sauer, wenn Regierungsbeschlüsse nicht in purem Rot niedergeschrieben wurden.

Aber man muss den neuen Kanzler nicht bemitleiden, er hat es so gewollt. Die Koalitionsverhandlungen wurden ohne größere Patzer absolviert, im Kabinett sitzt niemand, bei dem man vor Entsetzen den Kopf schüttelt. Es kann losgehen. Nicht nur in Deutschland wartet man darauf, dass der neue Kanzler seinen Worten Taten folgen lässt. (Birgit Baumann, 8.12.2021)