Wegen fragwürdiger Arbeitsbedingungen sind Uber oder Essenslieferdienste in Europa wiederholt in die Kritik geraten.

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Essen auf Rädern hat durch die Corona-Pandemie einen zusätzlichen Schub erhalten – immer öfter klingeln Boten mit warmen Speisen an der Türe. Ihre Aufträge erhalten sie oft über digitale Plattformen wie hierzulande Mjam oder andere Anbieter. Insgesamt sind inklusive des Fahrdienstes Uber in der EU etwa 43 Millionen Menschen über diese schnell wachsenden Plattformen beschäftigt, wovon etwa 5,5 Millionen Scheinselbstständige sein sollen. Speziell diesen will die EU-Kommission nun mehr Rechte einräumen und hat am Donnerstag ein Maßnahmenpaket präsentiert.

Kernstück ist der Entwurf für eine Richtlinie, der zufolge es bei der Frage der Selbstständigkeit zu einer Beweislastumkehr kommt. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die vermittelnden Plattformen Arbeitgeber und über sie tätige Personen Arbeitnehmer sind – mit entsprechenden Ansprüchen wie bezahltem Urlaub, Arbeitslosenversicherung oder Pension. Plattformen können diese Einstufung zwar anfechten, dabei müssen sie jedoch nachweisen, dass kein Beschäftigungsverhältnis besteht.

Als "auf den ersten Blick super" bezeichnet Martin Gruber-Risak, Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Wien, die Maßnahme. Es sei zwar, was er "als progressiver Arbeitsrechtler" seit Jahren fordere, allerdings sei die Definition der Plattformen so gestaltet, dass manche durchrutschen könnten. Uber und die großen Essenszusteller fallen aus seiner Sicht aber unter die Definition der Kommission. Insgesamt fällt Gruber-Risak ein positives Urteil über das EU-Paket: "Die EU-Kommission ist sensibel für Digitalisierung und die geänderten Rahmenbedingungen geworden. Das ist ein ganz wichtiger Schritt."

Preise steigen "ein wenig"

"Die EU ist nicht gegen diese Geschäftsmodelle oder dagegen, dass man sich abends um elf eine Pizza liefern lassen kann", sagt EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit, er bekämpfe Plattformen nicht. "Aber der Mann, der die Pizza bringt, hat Rechte und sollte ähnlich gut abgesichert sein wie andere Beschäftigte." Die Kommission betont, ihr Paket bringe den Plattformen Rechtssicherheit, spare Prozesskosten und erleichtere die Geschäftsplanung. Allerdings räumt Schmit gegenüber der Süddeutschen Zeitung ein, "dass die Preise ein wenig steigen, aber nicht stark".

Strengere Regeln plant die Kommission zudem auch beim sogenannten algorithmischen Management, also wenn die vielen Kleinstaufträge automatisch an Mitarbeiter vergeben werden. Die neue EU-Richtlinie sieht vor, dass Beschäftigte automatisierte Entscheidungen künftig anfechten können und ein Recht auf einen menschlichen Ansprechpartner haben – was übrigens auch für echte Selbstständige gelten soll. Zudem plant die Kommission gewissermaßen ein Transparenzgebot gegenüber Behörden, denen etwa die Anzahl der Beschäftigten oder allgemeine Vertragsbedingungen kundgetan werden müssen.

Hohe Zusatzkosten

Wenig Begeisterung kommt von den etwa 500 in der EU tätigen Plattformunternehmen, denen die geschätzten Zusatzkosten von bis zu 4,5 Milliarden Euro pro Jahr schwer im Magen liegen – keine Kleinigkeit bei einem, wenngleich schnell steigenden, Gesamtumsatz von 20 Milliarden Euro. Die neuen Vorgaben würden tausende Jobs und kleine Unternehmen gefährden, kritisiert ein Uber-Sprecher. Vielmehr sollten EU-weite Regeln Flexibilität gewährleisten.

Auch dem deutschen Essenslieferanten Delivery Hero geht der Vorschlag zu weit, der im deutschen Leitindex Dax gelistete Konzern will sich in den weiteren Gesetzgebungsprozess einbringen. Dabei müssen EU-Parlament und der Rat dem Kommissionsentwurf noch zustimmen, danach muss die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. (Alexander Hahn, 10.12.2021)