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Reichlich Schneefall wie heuer um diese Zeit ist selten geworden. Niedrig gelegene Skigebiete wie der Ötscher spüren den Klimawandel.

Foto: Picturedesk.com / Markus Haslinger

Sie heißen Dobratsch, Alpl, Ronachkopf. Alle drei Berge, und viele andere mehr, haben eines gemeinsam: Sie sind Ausflugsziele geblieben, haben aber als klassische Skigebiete abgedankt. In den meisten Fällen waren schneearme Winter der Grund, noch öfter aber war es pure Geldnot, die angesichts der fortschreitenden Erderwärmung das Zusperren beschleunigt hat.

Aus dem früheren Villacher Skiberg Dobratsch ist ein Multifunktionsberg geworden – mit Langlaufloipen, Schneeschuhtrails und Rodelpiste. Um die Jahrtausendwende gab es Pläne für einen Modernisierungsschub. Nicht nur eine Beschneiungsanlage sollte her, auch neue Lifte. Da der Dobratsch auch Trinkwasserspeicher ist, liefen die Pläne ins Leere. Statt neue Lifte aufzustellen, wurden die alten abgebaut und nach Georgien verkauft. Im Herbst 2002 wurde der Dobratsch zum Naturpark.

Auch das Skigebiet Alpl bei Krieglach in der Steiermark ist Opfer des Klimawandels geworden. Ohne massive Investitionen in künstliche Beschneiung funktionieren Skigebiete um 1000 Meter kaum noch. Das muss man sich aber leisten können und wollen.

Sanfter statt lauter Tourismus

Die Eigentümer der Lifte von Thumersbach auf den Ronachkopf im Pinzgau wollten das nicht mehr. Dabei hätten sie das nötige Geld gehabt. Die Schmittenhöhebahn wollte lieber in das Skigebiet gleichen Namens oberhalb von Zell am See investieren, zumal die Frequenz am Ronachkopf kontinuierlich zurückging.

Sanfter Tourismus heißt das Stichwort, den sich so manche als Alternative zum klassischen, mit viel Aufwand betriebenen alpinen Skisport wünschen. Alles gut? Ja und nein.

"Was landläufig unter sanft läuft, ist gar nicht so sanft", merkt Ulrike Pröbstl-Haider im STANDARD-Gespräch an. "Angenommen, ein Skigebiet wird zugesperrt, Lifte werden abgebaut, und es kommen Tourengeher und Schneeschuhwanderer. Aus Sicht des Natur- und Artenschutzes ist das eine mittlere Katastrophe", gibt die Professorin am Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung der Universität für Bodenkultur (Boku) zu bedenken.

Tiere würden in ihrer Winterruhe nachhaltig gestört, noch dazu auf größerer Fläche, als dies auf einer präparierten, eingegrenzten Piste der Fall ist. Das sollte bei der Suche nach möglichen Alternativen zum klassischen Skifahren in niedrigen Lagen immer mitbedacht werden.

Dass es bei der Frage, ob ein Lift zugesperrt oder weiterbetrieben werden soll, nicht immer rational zugeht, zeigt sich am Beispiel Lackenhof in Niederösterreich. Ende November wurde bekannt, dass die Ötscherlifte geschlossen werden sollen. Sie gehörten zu 60 Prozent der Schröcksnadel-Gruppe und zu 40 Prozent Ecoplus, einer Gesellschaft des Landes. Der Weiterbetrieb sei wegen Besucherschwunds und Klimawandels nicht mehr wirtschaftlich, argumentierten die Eigentümer. Im Skigebiet mit Start auf 800 Metern war es in den vergangenen Jahren oft nicht kalt genug, um die Schneekanonen anzuwerfen.

Viel Emotion im Spiel

Die Wogen gingen schnell hoch. In der Gemeinde wurde eine Petition gestartet, SPÖ und FPÖ rebellierten im Land gegen die Schließung. Das Thema emotionalisiert. Einerseits sind die Ötscherlifte in der Region ein entscheidender Wirtschaftsfaktor: An den Skifahrern hängen Gästezimmer und Gastronomie. Andererseits gehören die Ötscherlifte zu den bekanntesten Skigebieten im Land – viele haben dort Ski fahren gelernt.

Es war ein Aufschrei, den Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner nicht ignorieren konnte. Gemeinsam mit Sportlandesrat Jochen Danninger (beide ÖVP) verkündete sie eine Woche nach der Hiobsbotschaft, dass das Land das Skigebiet ganz übernimmt.

Danninger erklärte seine Kehrtwende damit, dass sich Verhandlungsmöglichkeiten mit Schröcksnadel ergeben hätten. Eine Übernahme sei möglich, weil das Land auch das benachbarte Hochkar übernimmt und die Betriebe fusioniert. Das würde einen Weiterbetrieb für zumindest zwei Jahre sichern. Was danach geschieht, ist offen. Was das Unterfangen das Land kostet, steht noch nicht fest – der Preis soll mithilfe eines Verkehrswertgutachtens festgelegt werden.

Ganzjahresgebiet

Diesen Samstag starten die Ötscher-Lifte in die Wintersaison. Um den Betrieb über 2023 hinaus zu retten, muss sich die Ötscher-Region aber neu als Ganzjahresgebiet positionieren. "Wer will, dass alles bleibt, wie es ist, wird den langsamen Niedergang des traditionsreichen Skiorts nicht stoppen", sagt Danninger. Das Land stellt für die Entwicklung neuer Angebote zwei Millionen Euro zur Verfügung – und hofft auf private Ideen und Investitionen.

Mittlerweile ist das Land Niederösterreich Eigentümer von fünf Skigebieten: Neben Ötscher und Hochkar gehören auch Mönichkirchen/Mariensee, Sankt Corona am Wechsel sowie Annaberg dazu. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat die Ecoplus Alpin des Landes laut Geschäftsführer Markus Redl 65 Millionen in die Skizentren gesteckt. Dazu kommen über eine weitere Schwestergesellschaft die Lifte in Losenheim am Schneeberg und auf der Gemeindealpe.

Best Practice

Als Best Practice gilt dem Land in Zeiten von milden Wintern und Klimawandel die Transformation des Orts Sankt Corona am Wechsel: Nach dem Aus für das schwer defizitäre Skigebiet wurden 2014 der Einser- sowie der Vierersessellift abgebaut. Stattdessen entstand mit privaten Betreibern auf rund 850 Meter Seehöhe ein Familienskiland. Sommerrodelbahn, Motorikpark und ein Mountainbike- und Wanderangebot sorgen nun im einstigen verschlafenen Skiort auch im Sommer und Herbst für viele Gäste.

Das Ziel, so formuliert Redl sinngemäß: Strauchelnde traditionsreiche Skigebiete im Osten müssen mit verschiedenen Ideen und Angeboten so umgebaut werden, dass sie keine reinen Skigebiete mehr sind.

Situation in Salzburg

In Salzburg ist die Situation vergleichbar und doch anders. Das kleine, stadtnahe Skigebiet Gaissau-Hintersee balanciert seit Jahren am wirtschaftlichen Abgrund. Hauptproblem ist fehlende Schneesicherheit: Gaissau-Hintersee hat keine künstliche Beschneiung. Und obschon die Region als "Schneeloch" gilt, werden in der Höhenlage von rund 800 bis gut 1500 Höhenmeter die Winter immer kürzer. Dazu kommt, dass die neun Liftanlagen teils noch aus den 1970er-Jahren stammen.

Richtig eng wurde es 2010, als die damaligen Eigentümer, die Saalbacher Bergbahnen, das defizitäre Unternehmen abstießen. Es fand sich ein Investor aus Bayern, dann tauchte ein Geldgeber aus China auf. Die Hoffnung entpuppte sich als Traumtänzerei, es folgte ein Rechtsstreit, die Liftanlagen standen längere Zeit still; sehr zur Freude der Skitourencommunity. Unterstützung vonseiten des Landes gab es in dieser Phase keine.

Es folgte ein Konkurs, letztlich erhielt das Skigebiet mit einem Bauschutt- und Abbruchunternehmer aus dem Tennengau einen neuen Eigentümer. Dieser präsentierte mit einer neuen Gondelbahn und einer Beschneiungsanlage gleich hochfliegende Pläne. Kolportierte Kosten: 20 Millionen Euro oder mehr.

Wirtschaftshilfe

Grundsätzlich hat das Land signalisiert, Wirtschaftshilfe zu leisten. Es wäre das erste Mal, dass öffentliche Mittel für Gaissau-Hintersee fließen. Man sei bereit, eine Million beizusteuern, wenn ein betriebswirtschaftliches Konzept vorliege, sagt ein Sprecher von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Ein derartiges Konzept gibt es bis heute nicht.

Auch der Bürgermeister von Krispl, Andreas Ploner (ÖVP), hat schon optimistischer geklungen. Die vom Land in Aussicht gestellte Million wäre ein Tropfen auf den heißen Stein. Er hoffe auf wesentlich mehr Landesgeld. Die Rede ist von 2,5 Millionen Euro.

Geht es nach Oliver Fritz, dem Tourismusexperten des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), dann sollte man danach trachten, kleine Skigebiete nahe von Ballungszentren in die Zukunft zu retten. Nicht die öffentliche Hand sollte in Vorlage treten, sondern die Seilbahnwirtschaft. "Man müsste die großen Skiresorts animieren, Geld in die Weiterentwicklung kleiner Skigebiete in Stadtnähe zu stecken, weil das im Endeffekt ihnen selbst zugutekommt. Die Kinder von heute sind die Skifahrer von morgen", sagt Fritz.

Lackenhof sei mit zwei Stunden Anreisezeit aus Wien zu weit weg. Dort habe man nun aber durch die Entscheidung des Landes etwas Zeit gewonnen, Alternativkonzepte zu entwickeln. Die sollte man unbedingt nutzen. (Günther Strobl, Sebastian Fellner, David Krutzler, Thomas Neuhold, 11.12.2021)